Manchmal beginne ich Reihen zu lesen und verliere sie dann aus den Augen. Passiert mir häufig immer dann, wenn ich ein Jahr und mehr auf die Fortsetzung warten muss. Bei der Walter-Pulaski-Reihe von Andreas Gruber ist mir das passiert. Doch wie sich herausgestellt hat, wird mein Lieblingsermittler Maarten S. Sneijder demnächst auf den Ermittler dieser Reihe treffen. Ein Grund mehr, sich noch einmal den ersten Band der Walter-Pulaski-Reihe zu schnappen, damit ich mein Wissen zu den Büchern auffrischen kann.

In meiner Rezension „Rachesommer“ von Andreas Gruber werde ich nicht nur enthüllen, ob mich das erneute Lesen des Buches wieder begeistern konnte, sondern auch, ob ich es weiterempfehlen kann.


 

Rachesommer von Andreas Gruber
© Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München

Infos zum Buch
erschienen beim Goldmann Verlag
Veröffentlicht 23. April 2013
ca. 432 Seiten
Band 1 der Walter-Pulaski-Reihe
erhältlich als Taschenbuch, Hörbuch und eBook
 

Klappentext

Vier mysteriöse Todesfälle, ein geheimnisvolles Mädchen – und ein Sommer der Rache

Wien. Vier wohlhabende Männer im besten Alter sterben innerhalb kürzester Zeit unter ähnlichen Umständen. Und nur die Anwältin Evelyn Meyers glaubt nicht an Zufall … Leipzig. Mehrere Jugendliche, allesamt Insassen psychiatrischer Kliniken, sollen Selbstmord begangen haben. Kommissar Pulaskis Misstrauen ist geweckt, er beginnt zu ermitteln. Seine Nachforschungen bringen ihn mit Evelyn zusammen, und ihre gemeinsame Spur führt sie bis zur Nordsee, zu einem Schiff, das ein schreckliches Geheimnis birgt …

© Klappentext: Goldmann Verlag

„Rachesommer“ von Andreas Gruber ist der erste Band der Walter-Pulaski-Reihe und wurde 2010 erstveröffentlicht. Mittlerweile gibt es schon relativ viele Auflagen inklusive eines neuen Coverkleidchens seit 2018, damit alle Bücher der Reihe zusammenpassen. Ich persönlich mag das alte Cover ein bisschen lieber, zumal der Rettungsring tatsächlich annähernd etwas mit dem Inhalt von „Rachesommer“ zu tun hat. Beim neuen Cover fehlt mir ein bisschen die Fantasie, aber es kommt ja bekanntlich auf den Inhalt an.

Und der kann sich sehen lassen. Der Prolog machte direkt neugierig, gleich bildeten sich die ersten Fragen. Es kristallisierte sich ziemlich schnell heraus, dass „Rachesommer“ nicht nur aus verschiedenen Perspektiven die Ereignisse behandelt, sondern sich auch verschiedener Handlungsebenen bediente. Während ich mit dem Kriminaloberkommissar Walter Pulaski in deutschen psychiatrischen Kliniken ermittelte, begleitete ich Evelyn Meyers bei seltsamen Mandantenfällen. Beide Handlungsstränge hätten nicht unterschiedlicher sein können, auch wegen der beiden Protagonisten. Sie sind charakterlich verschieden, was einen schönen Kontrast ergab.
Anfänglich fiel es mir nicht so leicht, eine Verbindung zu ihnen aufzubauen. Sie waren nicht so richtig greifbar. Je mehr ich aber über sie erfuhr, dienstlich wie auch privat, umso besser konnte ich sie in ihrem Verhalten und Überlegungen verstehen. Zum Schluss hatte ich Pulaski und Evelyn ins Herz geschlossen.

Die Kernthematik ist nichts für zarte Gemüter. Es geht viel um die Zerbrechlichkeit der menschlichen Psyche, die vor allem Kindern schutzlos ausgeliefert sind. Während die Morde an den wohlhabenden Männern relativ mild geschildert wurden, ist im Vergleich das Grauen aus der Vergangenheit der eigentliche Schocker. Mir ist häufig ein Schauer der Fassungslosigkeit über den Rücken gerieselt. Die Bösartigkeit mancher Menschen kennt keine Grenzen und die Konsequenzen für die Betroffenen sind lebenszerstörend. Hier gelang es Andreas Gruber auch einen richtig guten Übergang herzustellen. Während er mir auf der einen Seite einfach erklärte, wie Schutzmechanismen der menschlichen Seele funktionieren, trieb er gleichzeitig das Spiel mit der Rache im Reigen mit Recht und Unrecht auf eine moralische sowie emotionale Spitze.
Die Kombination aus Vergangenheits- und Gegenwartserzählsträngen brachte ebenso Vielfältigkeit wie auch Dynamik ins Geschehen.

Der Schreibstil war erfrischend leicht, auf den Punkt und dank relativ kurzer Kapitel zügig lesbar. Die unterschiedlichen Spannungskurven sorgten für Abwechslung und waren mit viel Authentizität angereichert.
Ich mochte „Rachesommer“, auch wenn mich einzelne Elemente an andere Geschichten von Andreas Gruber erinnerten. Dennoch gelang es ihm eine völlig authentische und unabhängige Story zu stricken, die trotz allem mit unerwarteten Wendungen aufwarten konnte und mich immer ans Geschehen fesselte. Ein bisschen fehlte mir der gewohnte actionreiche Pepp, aber als Start in eine neue Reihe fand ich den Einstieg schon super.
Besonders freue ich mich auf den nachfolgenden Band, denn ich erhoffe mir, dass ein paar persönliche Fragen, die ich mir gestellt habe, geklärt werden.

Rachesommer von Andreas Gruber
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Zwei verschiedene Fälle werden von zwei Personen aus verschiedenen Berufsgruppen verfolgt. Dabei scheint etwas aus der Vergangenheit bis in die Gegenwart zu schwären, was kurz vor der Explosion steht und scheinbar mehrere Vorkommnisse miteinander auf grauenvolle Weise verbindet.

Lesen:

Wenn ihr Lust auf einen spannungsvollen Thriller habt, der sich intensiv mit Rache auseinandersetzt und dabei moralische Fragen aufwirft.

Weglegen:

Warnung: Hier geht es um Gewalt gegenüber Kindern. Wenn ihr das nicht lesen könnt, solltet ihr euch einem anderen Buch zu wenden.

Mal ehrlich:

Ich habe „Rachesommer“ vor Jahren schon mal gelesen. Da ich aktuell viele Reihen von Andreas Gruber Bücher in einem Buddy-Read mit Maggie lese, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch dieses Buch mit auf der Liste auftauchen würde. Ich war super gespannt, wie viel ich von der Geschichte noch wissen würde. Doch tatsächlich konnte ich mich an nicht mehr so viel erinnern.
Der Einstieg in die Geschichte war gut, jedoch hatte ich am Anfang leichte Probleme, den beiden Protagonisten Walter Pulaski und Evelyn Meyers näher zu kommen. Ich konnte sie noch nicht so recht greifen. Die Perspektivwechsel zwischen mehreren Handlungsebenen brachte Dynamik und Spannung ins Geschehen. Zudem reifte die Frage heran, wie alles miteinander zusammenhängen könnte. Ehrlich gesagt blieben mir da die Ideen aus.
Richtig gut gefiel mir, dass manche der komplexen Strukturen der menschlichen Seele, die relevant für die Story waren, einfach erläutert wurden. Das sorgte nicht nur für Gänsehautfeeling und Aha-Effekte, sondern machte mich bisweilen auch betroffen.
Die Mörderjagd quer durch Deutschland und teilweise durch Wien war interessant. Die unterschiedlichen Schauplätze wurden bildlich beschrieben. Richtig cool fand ich die Rückblicke, die noch einmal ein ganz anderes Licht auf Ereignisse warfen, die ich vermeintlich schon kannte.
Dieser Thriller war zwar nicht ganz so auf zack, wie ich es sonst von Herrn Gruber gewöhnt bin, aber er konnte mich durchaus fesseln. Und auch mit den beiden Protagonisten wurde ich im Verlauf der Handlungen warm. Ich mochte sie beide sehr, auch wenn sie charakterlich schon recht verschieden sind. Das aber macht den Reiz dieser Kombi aus.
Das Finale war packend und ich mochte die Art, wie alles schlüssig aufgeklärt wurde. Am allermeisten freue ich mich aber auf die Fortsetzung, weil ich wissen möchte, wie es mit dem Kriminaloberkommissar aus Leipzig und der Wiener Anwältin weitergeht.

Fazit:

Mir hat der Auftakt in die Walter-Pulaski-Reihe definitiv gefallen. Das Kernthema ist nichts für schwache Nerven und das Spiel mit Recht und Unrecht ist fesselnd gelungen.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

Lust auf einen packenden Thriller mit einigen prickelnden und frechen Lesemomenten?
Dann empfehle ich euch:
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