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Von Marc Raabe habe ich bislang zwei Werke gelesen und fand beide Thriller unglaublich rasant geschrieben. Leider hatte ich damals mittig in einer Reihe von ihm angefangen zu lesen, was den Lesegenuss an sich zwar nur minimal trübte, doch so fehlte mir der Einstieg in die Serie. Bei „Der Morgen“ kann mir das zum Glück nicht passieren, denn dies ist der Start in eine neue Reihe aus der Feder von Marc Raabe.

In meiner Rezension „Der Morgen“ von Marc Raabe beleuchte ich, ob das Versprechen des Klappentextes, dass es sich hier um den „Thriller des Jahres“ handelt, meiner Meinung nach gehalten werden konnte.

Leseexemplar
❧ Dieses Buch habe ich als Freiexemplar von Ullstein erhalten
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst

 

Der Morgen von Marc Raabe
© Umschlaggestaltung: zero-media.net, München

Infos zum Buch
erschienen bei Ullstein
Veröffentlicht 30. März 2023
ca. 592 Seiten
Band 1 der Art Mayer-Serie
erhältlich als Taschenbuch, Hörbuch,
Audio-CD und eBook

 

Klappentext

Macht. Ohnmacht. Tatnacht.

Im morgendlichen Schneegestöber an der Berliner Siegessäule steht ein verlassener Kleinlaster. Auf der Ladefläche findet die Polizei eine halbnackte tote Frau. Jemand hat ihr mit roter Farbe etwas auf den Körper geschrieben – die Privatadresse des Bundeskanzlers. Am Tatort trifft die unerfahrene und ehrgeizige Kommissar-Anwärterin Nele Tschaikowski auf den berüchtigten Ermittler Artur Mayer. Was sie nicht wissen: Das ist kein Zufall. Kurz darauf tauchen im Netz Videos von der Toten auf, und der Fall nimmt eine dramatische Wende.

Das Thriller-Ereignis des Jahres mit spannendem Bonusmaterial!

© Klappentext: Ullstein

Wow. Was für ein Eyecatcher dieses Cover ist. Der Farbton ist auffällig, der schwarze Buchschnitt ein perfekter Kontrast. Die Silhouette des Vogels offenbart interessante Details einer nicht näher zu bestimmenden Umgebung, während der Rest nebulös wirkt. Die weiß gestanzten Letter verleihen dem Cover tiefe und ich spüre sofort große Lust, mit dem Lesen zu beginnen, als ich das Buch zum ersten Mal in den Händen halte.

Ich komme flott in die Geschichte, auch wenn nach dem Prolog in rascher Folge mehrere Figuren ihren ersten Auftritt haben. Dabei geleitet mich der personale Erzähler sicher durch die Ereignisse und ermöglicht es mir, durch Perspektivwechsel einen umfassenderen Blick auf die Geschehnisse zu erlangen.
Die Kapitel geben dabei auf den ersten Blick keinen Aufschluss darüber, wessen Sicht auf die Ereignisse ich folge und in welcher Handlungsebene ich mich befinde. Doch aus dem Kontext heraus wird dies blitzschnell klar, sodass mein Lesefluss nie beeinträchtigt ist.

Die Spannung baut sich rasch auf und wird von zwei verschiedenen Handlungssträngen befeuert.
Der eine Erzählfaden greift die aktuellen Ereignisse auf, wo fieberhaft zu ermitteln versucht wird, wer die Frau des Gesundheitsministers getötet hat. In diese Geschehnisse flechtet Marc Raabe unser aktuelles Zeitgeschehen mit ein. Durch diese raffinierte Ausgestaltung von politischen sowie wirtschaftlichen Entwicklungen wird „Der Morgen“ greifbar und authentisch. Es gelingt Marc Raabe, die Handlungen nicht in einen Politthriller abrutschen zu lassen, obwohl mitten in den Fokus der Ermittlungen der Bundeskanzler rückt. Stattdessen sorgt diese Art der Prominenz für fesselnde Lesestunden und zeigt gleichzeitig auf, wie das Business rund um die Berichterstattung seitens der Presse funktioniert.
Der zweite Handlungsfaden spinnt den Prolog weiter, dessen Vorkommnisse in der Vergangenheit liegen. Auch hier versteht es Marc Raabe unglaublich viel Spannung zu erzeugen und dabei vieles nur anzudeuten, was erst nach und nach näher beleuchtet sowie aufgeklärt wird.
Beim Lesen ist mir zwar klar, dass beide Erzählebenen miteinander zusammenhängen müssen, nur wie, das bleibt mir lange verborgen, wie Marc Raabe das möchte. Selbst als ich glaube, das Rätsel gelöst zu haben, nimmt er mir die Gewissheit mit einem geschickten Kniff. Klasse.

Fasziniert bin ich von Artur Mayer, der den Spitznamen Art trägt. Sein Verhalten wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich und Marc Raabe genießt es, mich Bröckchen für Bröckchen mit winzigen Hintergrundinformationen anzufüttern. Ich bin neugierig auf diese Figur, die offensichtlich ein hervorragender Ermittler ist und gute Gründe dafür hatte, nicht länger Polizist sein zu wollen. Dennoch lässt er sich auf diesen Fall um eine ermordete Frau ein, auf deren Bauch die Adresse des Bundeskanzlers in Blut geschrieben steht. Art ist ein vielschichtiger Charakter, der trotz seiner ruppigen Art das Herz am rechten Fleck trägt.
Sein Gegenstück wird Kommissar-Anwärterin Nele Tschaikowski, die ich als erstes in ihrem privaten Umfeld kennenlerne. Der Blick auf ihre Persönlichkeit lässt mich anfänglich etwas unschlüssig zurück, da ich sie noch nicht richtig einschätzen kann. Obwohl sie recht jung ist, hat Nele den nötigen Ehrgeiz, ihre Unerfahrenheit mit viel Enthusiasmus und Köpfchen wettzumachen. Sie muss sich gegen die männlichen Kollegen bewähren und dieses Unterfangen ist nicht einfach. Aber Nele hat einen starken Charakter, weshalb ich neugierig darauf bin, ob die Zusammenarbeit zwischen Nele und Art gelingt. Denn es scheint in „Der Morgen“ alles möglich zu sein: Von Dream-Team bis hin zu zwei Ermittlern, die sich nicht ausstehen können.

Die jungen Charaktere aus der Vergangenheitserzählung rund um Boxer sind lebendig ausgestaltet. Ich kann sie mir richtig gut vorstellen, wie sie in ihrem jugendlichen Leichtsinn allerhand Ideen für supertoll befinden und dadurch immer wieder in gefährliche Situationen geraten. Ihnen zu folgen macht Spaß, ebenso darüber nachzudenken, ob diese Personen möglicherweise auch in der Gegenwart eine tragende Rolle spielen.

Der Schreibstil von Marc Raabe ist flüssig und wohldosiert mit den Beschreibungen der Schauplätze. Kurz und knackig, aber mit ausgeklügelter Präzision treibt Marc Raabe die Geschehnisse voran, sodass ich völlig gebannt von den Entwicklungen bin.
Immer wieder versuche ich hinter die Zusammenhänge zu kommen, doch es will mir kaum gelingen. Viel zu geschickt sind die Fallstricke ausgelegt, sodass ich mich treiben und von der Dynamik mitreißen lasse.
Es gelingt Marc Raabe, viele Themengebiete schlüssig miteinander zu verbinden, sei es das altbekannte Motiv der Rache oder der Abhängigkeiten, von Vorurteilen bis hin zum Wunsch nach Zugehörigkeit. Dieser bunte Mix belebt das Buch und überzeugt mich.

Das Finale ist packend, die letzten Zweihundertseiten fliegen nur so dahin. Die Auflösung ist klug dargelegt. Das eher unkonventionelle Ende bleibt leicht offen, schließt aber den Fall in sich ab. Ich bin sehr gespannt auf die nächsten Bände, die auf „Der Morgen“ folgen werden.

Der Morgen von Marc Raabe
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Ein spannender Thriller, in dem der Bundeskanzler in den Fokus von Ermittlungen rückt, weil die gefundene Tote direkt auf ihn hinweist. Eine packende Schnitzeljagd nach der Wahrheit und einem gerissenen Täter.

Lesen:

Wenn ihr gute Thriller mögt, dann liegt ihr mit diesem hier richtig. Es ist durchgängig spannend und gelungen in das aktuelle Zeitgeschehen eingebettet worden.

Weglegen:

Würde ich nur empfehlen, wenn ihr keine Thriller lest.

Mal ehrlich:

Das Amt des Bundeskanzlers und dessen Träger, der es bekleidet, in den Fokus eines Thrillers zu rücken, finde ich spannend. Das Handlungsgeflecht ist weitverzweigt und ich frage mich, wie auch die Presse in diesem Buch, wie tief der Kanzler in den Mord an einer Frau involviert ist.
Gleichzeitig wird das aktuelle Geschehen mit Kapiteln aus der Vergangenheit unterbrochen. Der Übergang ist flüssig und stört mich kein bisschen. Stattdessen sitzt die Ahnung im Genick, dass die jungen Charaktere auch in der Gegenwart eine Rolle spielen könnten, aber die Wahrheit dahinter verschleiert Marc Raabe lange und sehr geschickt. Generell verbindet Marc Raabe viele Themen auf vielfältige Weise miteinander. Neben politischen Ränkespielen am Rande, die Macht und die Präsenz der Medien im Schlepptau der Ereignisse, sowie das Spiel mit der menschlichen Psyche bescheren dem Thriller viel Spannung. Dabei wird größtenteils auf blutrünstige Szenen verzichtet und stattdessen auf eine Mischung aus Aktion und packender Ermittlungsarbeit gesetzt. Dies funktioniert auch deshalb so gut, weil der Ermittler Artur Meyer und Kommissar-Anwärterin Nele Tschaikowski tolle Charaktere sind.
Art ist eher der schroffe, aber durchaus warmherzige Typ, während Nele zwar jung und unerfahren, aber mit einer gesunden Portion Ehrgeiz und einem großen Gerechtigkeitssinn ausgestattet ist.
Der Wechsel der Perspektiven ermöglicht mir einen weiten Überblick über die verschiedenen gesponnenen Handlungsfäden, ohne mir jedoch zu vorschnell Elementares zu verraten.
Durch den fesselnden Schreibstil und den lebendigen Dialogen lässt sich der Thriller flott lesen und lädt mich regelmäßig zum Mitraten ein. In viele ausgelegte Fallen tappe ich blindlings hinein, das Ende ist super gelöst. Denn obwohl der Fall in sich logisch aufgelöst wird, bleiben doch einzelne Fäden der Erzählung offen. Sie wecken meine Neugierde auf den nächsten Fall mit diesem charmanten Ermittlerduo.

Fazit:

Ein packender Auftakt mit zwei Ermittlern, die sich super ergänzen und das Lesen des Buches zum Genuss machen. Toll inszenierter Thriller mit realistischen Settings.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

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Dann empfehle ich euch:
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