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Aufmerksam auf dieses Buch wurde ich durch einen Artikel, den ich online las. Er war so spannend geschrieben, dass ich mir gerne selbst ein Bild von „Beklaute Frauen: Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte“ machen wollte. Denn das nicht alles, was wir heute zu wissen glauben, stimmen kann, ist mir schon länger klar. Spätestens als ich Ende letzten Jahres das Buch Klytämnestra von Costanza Casati gelesen hatte, wurde mir bewusst, dass der Mann gerne die Frauen in ein ungünstiges Licht rückt, wenn es seinem eigenen Glanz schadet.

In meiner Rezension zu „Beklaute Frauen: Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte“ von Leonie Schöler begründe ich, warum ich denke, dass dieses Buch gelesen werden sollte und erläutere auch, was mir nicht immer gut gefallen hat.

Leseexemplar
❧ Dieses Buch habe ich als Freiexemplar vom Penguin Verlag erhalten
❧ Vielen Dank an Frauke Müller für die Freigabe im Bloggerportal
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst

 

Beklaute Frauen von Leonie Schöler
© Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München

Infos zum Buch
erschienen bei Penguin Verlag
Veröffentlicht 28. Februar 2024
ca. 416 Seiten
erhältlich als gebundenes Buch, Hörbuch und eBook
 

Klappentext

Wie Frauen Geschichte schrieben – und Männer dafür den Ruhm bekamen

Muse, Sekretärin, Ehefrau – es gibt viele Bezeichnungen für Frauen, deren Einfluss aus der Geschichte radiert wurde. Für deren Leistungen Männer die Auszeichnungen und den Beifall bekamen: Wissenschaftlerinnen, deren Errungenschaften, im Gegensatz zu denen ihrer männlichen Kollegen, nicht anerkannt wurden. Autorinnen, die sich hinter männlichen Pseudonymen versteckten. Oder Künstlerinnen, die im Schatten ihrer Ehemänner in Vergessenheit geraten sind. Lebendig und unterhaltsam erzählt die Historikerin Leonie Schöler ihre Geschichten, sie zeigt, wer die Frauen sind, die unsere Gesellschaft bis heute wirklich vorangebracht haben. Und sie verdeutlicht, wie wichtig die Diskussion um Teilhabe und Sichtbarkeit ist. Dabei wird klar: Hinter jedem erfolgreichen Mann steht ein System, das ihn bestärkt; vor allen anderen steht ein System, das sie aufhält. Mit zahlreichen Abbildungen und Infokästen

© Klappentext: Penguin Verlag

„Beklaute Frauen“ klingt nach einem reißerischen Titel. Der mich sofort anspricht und in mir die Hoffnung sät, dass ich tatsächlich in die Geschichte eintauchen kann und erfahre, welche Frauen wirklich um ihre Leistungen gebracht wurden. Welche bedeutsamen Frauen im Lauf der Zeit im Dunkeln der Geschichte verschwanden und warum.

Der Einstieg in „Beklaute Frauen“ ist stark. Leonie Schöler geht weit zurück in die Steinzeit, um genau zu sein. Dabei zeigt sie anhand neuster Forschungen auf, dass durchaus auch Frauen Anführerinnen gewesen sind und von der Gesellschaft ihrer Zeit mit Anerkennung sowie Respekt überschüttet wurden. So stellte sich zum Beispiel heraus, dass das Grab eines hoch angesehenen Herrschers in Wahrheit das einer Frau war. Wissenschaftlich bewiesen anhand von DNA-Tests.
Es sollte einen erstaunen, doch ich denke wirklich, dass vieles, was wir über die Geschichte glauben zu wissen, nicht der Wahrheit vollumfänglich entspricht. Das kann es auch nicht, da die Forschenden bei der Aufstellung ihrer Thesen auch selbst – ob gewollt oder ungewollt – auf ihre eignen Erfahrungsschätze und Denkstrukturen zurückgreifen. Auch das beleuchtet Leonie Schöler interessant und erklärt es verständlich.

Dann gibt es einen gewaltigen Zeitsprung und die rund letzten 200 Jahre werden meist aus geschichtlicher Sicht beleuchtet. Dabei pickt sich Leonie Schöler mal Frauen als Kollektiv heraus, wie beispielsweise die Frauen, welche für die Revolution 1848/49 auf die Straße gingen, oder einzelne Persönlichkeiten und beleuchtet, auf welche Art und Weise diese zu den gesellschaftlichen Veränderungen beitrugen. Und wie sie am Ende ins dunkle Vergessen gerieten.
Es ist spürbar, dass sich Leonie Schöler intensiv mit den Frauen beschäftigt und viel Recherchearbeit investiert hat.

„Beklaute Frauen“ scheint auf den ersten Blick klar strukturiert und nach Themenfeldern aufgebaut zu sein. Das gefällt mir. Der Schreibstil ist locker und verständlich erklärend. Er ist sogar so gestaltet, dass sich das Sachbuch spannend lesen lässt. Abgerundet wird das Ganze durch Infokästen, Bildern, Zitate und am Ende durch zahlreiche Verweise auf Quellen und Literaturempfehlungen.

Die einzelnen Abschnitte von „Beklaute Frauen“ werden mit weiblichen Persönlichkeiten beleuchtet und zwar so, dass sie exakt auf das Thema passen. Das ist mir persönlich ein wenig zu eindimensional. Nehmen wir zum Beispiel die Ehe. Sie nimmt viel Raum in diesem Buch ein und schnell wird klar, Leonie Schöler hält rein gar nichts davon. Und so wird unter anderem der Werdegang von Mileva Marić, der Ex-Frau von Albert Einstein, genau darauf projiziert. Ich finde das superschade, denn auf der einen Seite berührt mich das Schicksal von Mileva Marić, auf der anderen Seite rutscht die Autorin gelegentlich ins Feld der Mutmaßungen ab, obwohl sie das eigentlich nicht möchte. Damit geht die Sachlichkeit verloren.

Zwischendurch schweift Leonie Schölern ab, bezieht sich mal auf aktuelle Themen oder kramt schon besprochene Themendetails wieder heraus. Das ermüdet beim Lesen und ich muss längere Lesepausen einlegen. Mir fehlt der erhoffte durchgängige rote Erzählfaden.
Generell werden in „Beklaute Frauen“ nicht nur jene Frauen beleuchtet, die tatsächlich um ihre Leistungen gebracht und mit aller Macht diskreditiert oder der Vergessenheit anheimgegeben wurden. Sondern es kommen auch Themen auf den Tisch, die meiner Meinung nach nicht in dieses Sachbuch gehören. Nicht, weil es nicht wichtig ist, über die LGBTQIA+-Gemeinschaft, Behinderte und Farbige zusprechen oder auch für sie zu kämpfen. Sondern weil das Sachbuch und auch der Klappentext suggerieren, dass hier wertungsfrei aufgezeigt wird, weshalb Frauen Unterdrückung erfuhren und um die Anerkennung ihrer Leistungen gebracht wurden.

Bei aller Kritik, Leonie Schöler hat interessante Persönlichkeiten vorgestellt und mich an ihrem Wirken teilhaben lassen. Dabei werden die Frauen und ihre Geschichten ins Licht gestellt, wo sie auch ganz klar hingehören. Wo deutlich hervorgeht, dass es nicht in Ordnung ist, sich mit fremden Federn zu schmücken, nur weil der Mann glaubt, dass es einer Frau nicht zu Gesicht steht, solche Errungenschaften selbst zu schaffen und zu behalten. Teile von „Beklaute Frauen“ haben wirklich ein Aha-Effekt für mich. Sie zeigen auf, wie beschwerlich der Kampf für die Freiheit und Anerkennung der Leistung von Frauen war und auch noch ist. Es zeigt ebenfalls, wie wichtig es ist, sich bewusst zu machen, dass wir noch lange nicht in einer Gesellschaft leben, wo es egal ist, welche Hautfarbe, Geschlecht oder Gesinnung jemand hat und wo es akzeptiert wird, dass jeder erfolgreich sein kann, der es ist und dies anerkannt wird.

Beklaute Frauen von Leonie Schöler
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Ein Sachbuch, das die Frauen und ihre Leistungen in den Vordergrund rückt sowie aufdeckt, warum sie in Vergessenheit gerieten. Gleichzeitig werden aber auch Themen von Leonie Schöler behandelt, die ihr persönlich sehr am Herzen liegen und von der Grundidee des Buches abrücken.

Lesen:

Wenn ihr wissen möchtet, welche Auswirkungen der Patriarchalismus darauf hat, dass die Frauen mit ihren Leistungen herabgestuft und so selten gewürdigt werden.

Weglegen:

Wer sich wirklich für die hier vorgestellten Frauen und ihrem tatsächlichen Wirken interessiert, dem würde ich eher eine Biografie empfehlen. Hier werden viele Themen bunt zusammengemischt.

Mal ehrlich:

Der Wunsch von einer Zeitreise zurück in die Vergangenheit könnte für so manchen Patriarchalismus liebenden Menschen zum wahren Albtraum werden. Denn offenbar war die Geschichte doch ganz anders, als wir es heute zu glauben wissen.
Das fängt schon in der Steinzeit an. Die Behauptung, dass Frauen ausschließlich nur Sammlerinnen und keine Jägerinnen waren, ist höchstwahrscheinlich falsch. Denn neuste Erkenntnisse zeigen, dass in einigen Gräber von großen Anführern gar keine Männer, sondern Frauen bestattet wurden. Demnach bekleideten schon zu Urzeiten Frauen höchste gesellschaftliche Stellungen. Doch wann wurde das für einen Mann zum Problem und weshalb wurde in der Vergangenheit die Erinnerung an Frauen, die viel erreichten, aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt oder gar anders bewertet als die eines männlichen Pendants?
Darauf kann die Autorin logischerweise keine zufriedenstellenden Antworten geben. Aber sich mit den Frauen beschäftigen, von denen wir wissen, dass sie tatsächlich um die Früchte ihrer harten Arbeit betrogen wurden.
Der Anfang ist definitiv stark und spannend. Leonie Schöler stellt Frauen vor, die mit Macht ins Vergessen gedrängt wurden. An welcher Stelle sie im Buch vorgestellt werden, ist dabei nicht zufällig ausgewählt, sondern passend zum jeweiligen Themengebiet zugeschnitten. Und da kommt der Punkt, wo ich „Beklaute Frauen“ nicht mehr so sachlich finde, wie es eigentlich sein sollte.
Die Autorin holt gern ganz weit aus, bezieht noch mehr unterdrückte Personengruppen mit ein, verliert sich dabei in Wiederholungen, kramt schon behandelte Themen wieder hervor oder hüpft von der Vergangenheit in die Gegenwart und dann wieder zurück. Mir fehlt es stellenweise an Objektivität, einem roten Faden und auch an Sachlichkeit. Leonie Schölers eigene Standpunkte sind ganz klar herauszulesen, das gehört aber meiner Meinung nach nicht in ein Sachbuch.
Ich möchte mir eine eigene Meinung bilden und nicht suggeriert bekommen, wie ich Entwicklungen zu finden habe. Ich möchte aber ganz klar herausstellen, dass die Autorin eine sehr umfängliche Recherchearbeit in das Buch hat fließen lassen. Das ist auf jeder Seite spürbar.

Fazit:

„Beklaute Frauen“ ist ein wichtiges Buch über Sichtbarkeit und Teilhabe. Nur fehlt es manches Mal an Sachlichkeit und die Fähigkeit, beim eigentlichen Thema zu bleiben.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

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