Wie kann eine lesebegeisterte Person wie ich, neugierig gemacht werden? Indem zum Beispiel Worte fallen wie „ein etwas anderer Küstenkrimi“ und „handlungsdicht“. Gibt es dazu noch eine Leseprobe und freundliche Worte, ja, dann kann ich schlecht nein sagen. Besonders dann nicht, wenn der Schreibende auch noch Geduld mitbringt, wenn ich sage, dass ich derzeit einen sehr hohen Lesestapel habe.
In meiner Rezension „Alsensund“ von Per Sjørndahl wird sich zeigen, ob sich die Geduld gelohnt hat und mich der Auftakt zu einer Serie überzeugen konnte.
Leseexemplar
❧ Vielen Dank für die Geduld
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst
© Umschlaggestaltung: Nina Schäfer
erschienen bei Emons Verlag
Veröffentlicht 21. März 2024
ca. 416 Seiten
erhältlich als Taschenbuch und eBook
Klappentext
© Klappentext: Emons Verlag
Der Einstieg in Alsensund macht mich neugierig. Es wird sofort deutlich, dass unterschiedliche Erzählebenen zum Einsatz kommen werden.
Recht schnell begegne ich Kommissar Sånbergen, einem gradlinigen und manchmal verschlossenen Charakter, dessen geheimnisvolle Vergangenheit ihn zu einem faszinierenden Protagonisten macht. Ich möchte mehr über Sånbergen erfahren, nicht nur, was ihn zu einem guten Ermittler macht, sondern auch privat auszeichnet und bewegt.
Die Handlungen selbst spielen an der dänisch-deutschen Grenze, einem Setting, das nicht nur die kulturellen Unterschiede, sondern auch die überraschenden Ähnlichkeiten der Bewohner beider Länder beleuchtet. Besonders die Ermittlungsarbeit über die Ländergrenzen hinaus finde ich dabei sehr faszinierend, da sie von unterschiedlichen Erfordernissen und Eigenheiten geprägt sind.
Alsensund ist als Krimi anspruchsvoll und reich an Details. Dies ist sowohl seine Stärke als auch seine Schwäche. Während die Vielzahl an Informationen und Erzählsträngen die Geschichte vielschichtig machen, führen sie auch zu losen Fäden, die nicht wieder aufgegriffen werden. Dies trübt leider mein Lesevergnügen und sorgt für einige Längen im Storytelling.
Sjørndahl nimmt sich hingegen viel Zeit für den Aufbau von Alsensund. Dies gibt mir wiederum die Möglichkeit, Verbindungen zwischen verschiedenen Ereignissen zu erraten.
Die Charaktere sind insgesamt gut ausgearbeitet und besitzen Persönlichkeit, jedoch geraten einige Randfiguren schnell in Vergessenheit, was die Komplexität der Handlung zusätzlich verstärkt.
Die Erzählungen erfolgen in zwei Zeitebenen: Die Vergangenheit wird durch Tagebucheinträge vermittelt. Interessant finde ich hier die optische Abgrenzung zur Gegenwart. Diese wird aus der Perspektive eines personalen Erzählers geschildert, dessen Fokus auf Kommissar Sånbergen liegt. Wie von mir erhofft, erfahre ich sowohl einiges aus Sånbergens beruflichem als auch aus dessen privatem Leben. So erhalte ich eine tiefere Verbindung zu dem Protagonisten.
Das Ende von Alsensund ist so angelegt, dass der Fall in sich abgeschlossen wird. Jedoch wird eine Komponente hinzugefügt, die hoffen lässt, dass es weitere interessante Fälle rund um Kommissar Sånbergen geben wird und ihn möglicherweise einige Erlebnisse aus diesem Band noch einmal einholen.
Mich konnte das Finale nicht komplett überzeugen, was besonders an den Kleinigkeiten liegt, die einfach nicht zu Ende erzählt werden. Auch sind manche Sequenzen schon sehr actionlastig, was mir im Zusammenspiel mit dem ansonsten sehr ernsthaft geschriebenen Ereignischarakter nicht so gefallen hat. Dies ist aber Geschmackssache. Für mich hat Alsensund noch Luft nach oben, aber es ist durchaus lesenswert.
© Foto: Monique Meier
Kurz gesagt:
Was dich erwartet:
Ein Kriminalroman, welcher vielschichtig aufgebaut und erzählt ist. Die Schauplätze liegen an der dänisch-deutschen Grenze und bieten damit einen faszinierenden Hintergrund für einen ermittlungsreichen Fall.
Lesen:
Wenn ihr üppige detaillierte Informationen und Handlungsgeschehen mögt, wird euch dieser herausfordernde Kriminalfall abgerundet mit einem schönen Küstensetting gut zu unterhalten wissen.
Weglegen:
Alsensund ist kein sommerleichter Urlaubsschmöker. Hier muss viel mitgedacht werden. Dabei solltet ihr auch bedenken, dass nicht alles sauber abgeschlossen wird und so mancher Erzählfaden im Sande verläuft. Wenn euch das grundsätzlich stört, empfehle ich, das Buch wegzulegen. Wenn ihr unsicher seid, schaut gern in die Leseprobe für den ersten Leseeindurck und entscheidet danach.
Mal ehrlich:
Die düstere Thematik von Alsensund, indem junge Frauen ermordet und drapiert aufgefunden werden, ist eindringlich und sorgt vielfach für eine spannende Atmosphäre. Die Kombination aus einem gradlinigen und manchmal ein wenig geheimnisvoll anmutenden Protagonisten und dem interessanten Setting an der dänisch-deutschen Grenze bietet viel Potenzial für einen spannungsvollen Kriminalfall.
Die Erzählweise mit zwei Zeitebenen schafft eine interessante Dynamik, die es mir ermöglicht, sowohl in die Vergangenheit als auch in die Gegenwart einzutauchen. Dieser Umstand verlockt zum Mitermitteln, doch die vielen Details und die daraus an manchen Stellen resultierenden losen Erzählfäden stören manchmal den Fluss der Geschichte. So wirken einige Handlungsstränge nicht ganz plausibel und so manche Randfiguren gehen in der Fülle der Ereignisse leider unter.
Hinzu kommt, dass ich im Verlauf nur noch schlecht unterscheiden kann, wann eine Information relevant für die weiteren Ereignisse sein wird und wann sie zu vernachlässigen ist.
Alsensund ist geprägt von einem oft sehr ruhigen und ernsteren Erzählton, der gelegentlich vom Schema ausbricht und sich in actionhaltligen Sequenzen ergießt. Ich mag das eigentlich ganz gern, hier hat mir das leider nicht in den Grundton des Krimis gepasst.
Der Fall wird relativ schlüssig abgeschlossen, doch es bleibt ein klitzekleiner Cliffhanger übrig, der die Erwartung weckt, dass Sånbergen noch mindestens einmal ermitteln darf.
Fazit:
Insgesamt gefallen mir die Grundidee des Krimis und die komplexen Zusammenhänge zwischen den Zeitebenen. Die Umsetzung hat mich jedoch aufgrund der vielen losen Enden und der damit verbundenen Längen nicht ganz überzeugt. Ich empfehle das Buch für Lesende, die gern vielschichtige Krimis lesen und wo nicht alles schlüssig ineinanderfließen muss.
*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*
Lesetipp:
Lust auf einen weiteren skandinavischen Krimi?
Dann empfehle ich euch:
Auf Tod komm raus von Anna Karolina