Im Juli 2023 war ich in Berlin auf einem Konzert. Direkt gegenüber von meinem Hotel gab es einen ganz kleinen süßen Buchladen. Als waschechter Bücherwurm kann ich natürlich nicht ohne weiteres daran vorbeigehen ohne wenigstens mal stöbern zu gehen. Dabei fiel mein Blick auf das Cover und diesen ungewöhnlichen Titel. So nahm ich das Buch mit.

In meiner Rezension „Leichenblume“ von Anne Mette Hancock gibt es meine Leseeindrücke zu diesem Reihenstart.

 

Leichenblume von Anne Mette Hancock
© Umschlaggestaltung: Johannes Weibel | punchdesign

Infos zum Buch
erschienen bei FISCHER Scherz
Veröffentlicht 27. Januar 2021
Originaltitel Ligblomsten
Übersetzt von Karoline Hippe
ca. 400 Seiten
Band 1 der Reihe Heloise-Kaldan-Serie
erhältlich als Taschenbuch, Hörbuch und eBook
 

Klappentext

Sie schreckt vor keiner Wahrheit zurück. Bis sie ganz persönliche Post von einer Mörderin bekommt.

Die Kopenhagener Investigativ-Journalistin Heloise Kaldan steckt in einer heiklen Jobkrise, als sie einen mysteriösen Brief erhält: von einer gesuchten Mörderin. Darin stehen Dinge über Heloise, die eigentlich niemand wissen kann. Beunruhigt beginnt Heloise, auf eigene Faust zu recherchieren. Die Absenderin ist seit einem brutalen Mord vor einigen Jahren spurlos verschwunden. Was will sie nun ausgerechnet von Heloise, und woher hat sie die Informationen über sie? Zur gleichen Zeit erhält auch Kommissar Erik Schäfer einen neuen Hinweis auf die Gesuchte. Alle Spuren scheinen zu Heloise Kaldan zu führen. Ist ihr Leben in Gefahr? Und können der Polizist und die Journalistin einander vertrauen? Ein fesselnd persönlicher Thriller über Rache, Gerechtigkeit und Vergebung.

Der erste Fall für Heloise Kaldan und Erik Schäfer. Ausgezeichnet mit dem dänischen Krimi-Preis.

© Klappentext: FISCHER Scherz

Am Anfang finde ich nicht so leicht in die Geschichte. Auf relativ wenig Seiten werden eine Menge Charaktere eingeführt. Dadurch habe ich Schwierigkeiten, den Überblick zu behalten. Nach einer Weile kristallisiert sich für mich heraus, dass zum harten Figurenkern die Investigativ-Journalistin für Arbeit, Wirtschaft und Verbraucherschutz Heloise Kaldan, der Kommissar Erik Schäfer und die gesuchte Mörderin Anna Kiel gehören.
Der personale Erzähler führt durch die Ereignisse und setzt seinen Fokus auf diese drei Charaktere. Gut gefällt mir dabei, dass es nur wenige Mischungen der Perspektiven innerhalb eines Kapitels gibt.
Mir ist gar nicht bewusst, wann ich die Ebene verlasse, auf der ich mit dem Thriller nicht glücklich bin. Auf einmal bin ich gebannt von den Ereignissen. Kleine Wendungen steigern die Spannung und offenbaren einen interessant ausgeklügelten Handlungsaufbau, der viel umfangreicher ist, als ich zu Beginn erahnen konnte.
Durch die wechselnden Perspektiven erfahre ich zwar mehr als die Figuren, es macht mich aber nicht unbedingt klüger. Ich werde dabei vor noch mehr Fragen gestellt und das finde ich aufregend.

Zugegeben, mit den Charakteren, vorrangig mit Heloise Kaldan und Erik Schäfer fremdele ich. Ich kann nicht genau sagen woran es liegt, aber es fällt mir nicht leicht, sie zu mögen. Sie wirken auf mich etwas hölzern, zwar realistisch vom Charaktersetting, aber nicht nahbar genug, dass sie mir näherkommen können. Im Verlauf bessert sich dies vorrangig bei Erik Schäfer, Heloise Kaldan wird jedoch einfach keine Figur, mit der ich warm werden kann. Dennoch kann mich Anne Mette Hancock von der Entwicklung ihrer Charaktere überzeugen.
Interessant sind hier besonders die Rückblicke in Heloise Kaldans Vergangenheit, die offensichtlich auch eng mit der Mörderin Anna verknüpft sind. Doch wie das muss sich erst noch zeigen.

Es gibt Augenblicke, da ahne ich, was kommen wird und bin dann überrascht, dass es sich völlig anders entwickelt. Es gibt eine Schlüsselszene, welche die Spannung so in die Höhe schnellen lässt, dass ich ab diesem Zeitpunkt Leichenblume am liebsten in einem Rutsch durchlesen würde. Es ist spürbar, wie alles auf den Höhepunkt zu steuert und ich frage mich, wie es enden wird.
Die Auflösung, welche auch gleichzeitig das Finale ist, rundet die Geschichte für mich schlüssig ab.
Trotzdem ist für mich „Leichenblume“ kein Thriller, sondern ein Kriminalroman mit unterschiedlichen hohen Spannungsbögen.

Leichenblume von Anne Mette Hancock
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Eine gesuchte Mörderin wendet sich mit einem persönlichen Brief an eine Investigativ-Journalistin. Eine Suche nach der Wahrheit mit Blick in die Vergangenheit beginnt.

Lesen:

Wenn ihr gern leichtere Unterhaltung mögt und der Spannungsbogen auch gern etwas flacher sein darf.

Weglegen:

Wenn ihr große Erwartungen aufgrund des Titels und des Klappentextes habt. Dann lest vorher die Leseprobe, damit ihr am Ende nicht enttäuscht seid.

Mal ehrlich:

Leichenblume hat es mir nicht leicht gemacht. Der Anfang ist zäh, die Vielzahl an Charakteren überfordert mich und mir ist nicht klar, worauf das Ganze hinauslaufen soll. Auch die Hauptcharaktere, Investigativ-Journalistin Heloise Kaldan und Kommissar Erik Schäfer, sind unnahbar und irgendwie sperrig. Erik Schäfer weiß ich irgendwann zu schätzen, bei Heloise Kaldan bleibe ich auf Abstand.
Einzig die gesuchte Mörderin Anna finde ich interessant. Über sie würde ich am liebsten viel mehr lesen, aber bei den Perspektivwechseln spielt sie eine eher untergeordnete Rolle.
Für mich ist Leichenblume auch kein Thriller, sondern ich hätte ihn eher dem Kriminalroman Genre zugeordnet. Klar, es könnte argumentiert werden, dass für Heloise Kaldan eine fortwährende Bedrohung existiert, aber vom Spannungsbogen her ist mir das für einen Thriller eindeutig zu wenig. Dennoch nehmen mich die Ereignisse irgendwann gefangen und ich bin neugierig, welche Wendungen die Autorin noch für mich bereithält. An vielen Stellen bin ich mir sicher, dass ich weiß, wie es sich weiterentwickeln wird, nur um kurz darauf eines Besseren belehrt zu werden.
Das Finale ist gleichzeitig die Auflösung von Leichenblume. Ich bin damit zufrieden, offene Fragen werden geklärt und die abschließende Wendung ist genau nach meinem Geschmack.

Fazit:

Es dauert, bis sich Leichenblume zu einer interessanten Lektüre mausert. Insgesamt hat der Thriller zu wenig Tempo, dafür aber gute Wendungen.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

Lust auf einen Thriller, welcher das aktuelle Zeitgeschehen mit in die Geschichte einbettet?
Dann empfehle ich euch:
Der Morgen von Marc Raabe