Zum ersten Mal in Berührung mit einem Verbrechen von nebenan bin ich durch einen Gedenkstein gekommen. Er steht noch heute in der Brabeckstraße in Hannover und erinnert an die im Dienst ermordeten Polizeihauptmeister Rüdiger Schwedow und Ulrich Zastrutzki. Seitdem ließ mich das Thema wahre Verbrechen nicht mehr wirklich los, auch wenn ich mich damit nicht allzu viel auseinandersetze.
Trotzdem war ich besonders neugierig auf das Buch „Verbrechen von nebenan“ geworden und wollte wissen, welche Fälle der Autor mir präsentieren würde.
In meiner Rezension
„Verbrechen von nebenan: Die spektakulärsten Kriminalfälle aus dem Nr.1-Podcast – Mit 10 neuen Fällen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz“
von Philipp Fleiter
spüre ich der Frage nach, ob das Buch etwas für waschechte True Crime Fans ist und ob es mich abholen konnte.
Leseexemplar
❧ Vielen Dank an ehrlich & anders für die Vermittlung
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst
© Umschlaggestaltung: Uno Werbeagentur, München
erschienen bei Goldmann Verlag
Veröffentlicht 18. Oktober 2021
ca. 368 Seiten
erhältlich als Taschenbuch, Hörbuch und eBook
Klappentext
© Klappentext: Goldmann Verlag
Das Cover mit seinem gelben Kreis und dem darin abgedruckten Text „Mit 10 neuen Fällen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz“ ist etwas verwirrend. Tatsächlich wurden in „Verbrechen von nebenan“ True Crime Fälle besprochen, die alles andere als neu und durchaus auch medial sehr bekannt sind. Nehmen wir zum Beispiel „Dagobert“. Jeder kennt die Geschichte des Mannes, der als Kaufhauserpresser durchaus erfolgreich gewesen ist. Manche Fälle reichen bis in die 1980er-Jahre zurück. Für heißblütige True Crime Fans sollten demnach einige der hier vorgestellten Verbrechen bekannt ein. Daher hätte ich es persönlich schöner gefunden, auf diesen gelben Punkt und dessen Inhalt zu verzichten.
Im Vorwort machte Philipp Fleiter allerdings auch keinen Hehl daraus, dass die meisten dieser gründlich von ihm recherchierten Fälle bereits in einer seiner Podcastsendung thematisiert worden sind. Da ich aber weder seinen Podcast kenne und ich mir auch nicht jedes True Crime Magazin reinziehe, war dies für mich kein Problem und meine Neugierde auf „Verbrechen von nebenan“ ungebrochen.
Das Buch war interessant aufgebaut worden und ich muss sagen, dass ich den Erzählstil von Philipp Fleiter sehr mochte. Er war sehr leichtgängig, hatte etwas von einer guten Kriminalerzählung und verband dennoch die sachlichen und mitunter sehr erschütternden Details der Verbrechen geschickt zu einer Berichterstattung, die mir manchmal die Luft zum Atmen nahm. Ich konnte mir die 15 Fälle nicht in einem Rutsch durch Lesen, ich brauchte für mich Pausen. Besonders wenn es um Tötungsdelikte an Kindern ging, musste ich dringend abschalten.
Während Philipp Fleiter die Fälle interessant aufbereitet hatte und im Anschluss auch immer sein eigenes Fazit mitteilte, gab es nach einigen Verbrechen auch dazu passende Experteninterviews. Hier hatte der Autor vielfältige Fragen für seine unterschiedlichen Interviewpartner im Gepäck und deren Antworten fand ich sehr faszinierend.
Zudem gab es manchmal innerhalb der einzelnen Interviews Querverweise zu anderen Verbrechen, die ebenfalls meine Neugierde weckten und mich zu weiteren Recherchen verlockten.
Zu Beginn eines jeden Falles gab es eine Karte, die aufzeigte, wo das jeweilige Verbrechen stattfand sowie die Nennung des Fallnamens, des Zeitpunktes und des Tatbestandes. Das gab schon mal eine grobe Orientierung. Da ich, wie oben schon erwähnt, mich nicht allzu intensiv mit True Crime beschäftigt habe, waren die meisten Fälle für mich tatsächlich unbekannt und daher hochinteressant.
Sehr betroffen machte mich ein Verbrechen, wo der mutmaßliche Täter trotz erheblicher Mängel an der Beweislast seiner Schuld für Jahrzehnte verurteilt worden ist. Dies führte mir vor Augen, dass unser Rechtsstaat doch nicht so makellos ist, wie ich gedacht hätte. Es hat mich schon sehr erschrocken und da bleibt wirklich nur zu hoffen, niemals selbst in die Tretmühlen der Justiz zu gelangen.
© Foto: Monique Meier
Kurz gesagt:
Was dich erwartet:
15 wahre Verbrechen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die in den letzten drei Jahrzehnten für Aufsehen gesorgt haben.
Lesen:
Wer mal True Crime Luft schnuppern möchte, macht mit diesem Buch alles richtig.
Weglegen:
Du bist ein waschechter True Crime Fan und hast alles gelesen, was bisher an Material über wahre Verbrechen erschienen ist? Dann wird dieses Buch höchstwahrscheinlich keine großen Überraschungen und neue Fälle für dich parat haben.
Mal ehrlich:
True Crime finde ich faszinierend, wenn gleich es mich auch abschreckt. Es ist schon paradox, das wahre Grauen realer Menschen als fesselnd und hoch spannend zu finden. Dennoch war ich extrem neugierig auf „Verbrechen von nebenan“.
Philipp Fleiter hat eine sehr angenehme und respektvolle Art, die verschiedensten Fälle von Raub bis über zu brutalen Kapitalverbrechen so zu präsentieren, dass es sich einerseits wie ein Kriminalroman las, auf der anderen Seite aber die ungeschönten wahren Details darin Platz fanden und diese sich manchmal wie Säure durch meine Eingeweide fraßen. Besonders wenn es um Verbrechen an Kindern ging, brauchte ich danach eine längere Pause.
Sehr interessant waren für mich die unterschiedlichsten Experteninterviews, in denen unter anderem ein Rechtsmediziner, eine Strafverteidigerin und ein Kriminalhauptkommissar zu Wort kamen. Auch hier kam sehr schön zur Geltung, wie viel Gespür Philipp Fleiter für seine Gegenüber hat und mit welch spannenden Fragen er der verbrecherischen Natur auf den Grund gehen will.
Da ich weder den Podcast von Philipp Fleiter kenne, noch wahnsinnig viele True Crime Magazine lese, war das Buch für mich durchgängig spannend, auch wenn der ein oder andere Fall mir auch so bekannt gewesen ist.
Fazit:
Ein sauber recherchiertes True Crime Buch, welches 15 interessante Fälle und ein paar spannende Interviews bereithält. Wahre True Crime Fans könnten hier aber nicht viel neues entdecken.
*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*
Lesetipp:
Wer True Crime mal aus der Perspektive einer Bloggerin erleben möchte,
die auf der Suche nach einem Schreckgespenst war,
dem empfehle ich:
Ich ging in die Dunkelheit: Eine wahre Geschichte von der Suche nach einem Mörder von Michelle McNamara
Dagobert kenne ich natürlich, aber ich schätze, dass in dem Buch das Meiste für mich noch neu ist. Ich bin eigentlich kein Fan von True Crime. Aber Deine Rezension macht mich schon irgendwie neugierig, denn gut erzählt istb halb gewonnen. Auch das Cover finde ich wirklich ansprechend, gelber Bubble hin oder her…
LG Renate
Liebe Renate,
das freut mich, dass dir das Cover gefällt. Ich fand es ja auch nicht schlecht, aber schadem dass es auf dem gelben Punkt „Versprechungen“ gab, die so ja nicht korrekt sind.
Sehe ich übrigens auch so, dass gut erzählt halb gewonnen ist 😀
Liebe Grüße
Mo
Ich kenne den Podcast auch nicht, aber finde die Thematik des Buches ganz interessant! Am meisten fasziniert mich immer, wie man solchen Leuten auf die Schliche kommt, denn meist liegt es an winzigen Beweisstücken. Dagobert ging ja damals durch die Presse, aber leider gab es auch hier in der Gegend einen schlimmen Verbrecher, der nun schon seit Jahrzehnten hinter Gittern ist! Zum Glück!
Liebe Grüße
Jana
Liebe Jana,
ich finde immer so schrecklich, dass diese Monster nicht wie Monster aussehen. Und so manches ging mir wirklich nah, weil es Menschen einfach nur deshalb geftroffen hat, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Aber ich finde auch die Aufklärung am Spannensten.
Liebe Grüße
Mo
Liebe Mo,
Ich bin bei True Crime etwas zwiegespalten. Ich finde es irgendwie schwierig, wenn das Leid anderer zur Unterhaltung dient. Allerdings gibt es ja auch gut aufbereitete Fälle, die neutral und nicht Krimi-artig aufgebaut sind. Damit kann ich dann mehr anfangen. Ich glaube, Fleiter ist das durch beispielsweise die Experteninterviews ganz gut gelungen.
Liebe Grüße von Miriam
Liebe Miriam,
genau darin sehe ich eben auch den Zwiespalt. True Crime sollte einfach nicht zur Unterhaltung dienen, denn das ist echtes Leid und ich finde es immer sehr tragisch, was dort geschah. Aber ja, du hast recht, Fleiter ist es gut gelungen, es auf eine Ebene zu bringen, die nicht unterhaltungsheischend ist, sondern informativ.
Liebe Grüße
Mo