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Mein letzter historischer Thriller liegt schon eine ganze Weile zurück und ich hatte Lust, einmal mehr in dieses Genre abzutauchen. Frevel ist mir durch Zufall aufgefallen und ich war gespannt, was mich in Frankfurt im Jahr 1800 erwarten würde.

In meiner Rezension „Frevel“ von Nora Kain schildere ich euch meine Leseeindrücke.

Leseexemplar
❧ Dieses Buch habe ich als Freiexemplar von dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG erhalten
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst

 

Frevel von Nora Kain
© Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Infos zum Buch
erschienen bei dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
Veröffentlicht 17. Oktober 2024
ca.384 Seiten
erhältlich als Taschenbuch, Hörbuch und eBook
 

Klappentext

Grausam zugerichtete Leichen und ein Mörder wie aus dem dunkelsten Albtraum

Frankfurt im Jahr 1800: Drei auf ungewöhnliche Weise entstellte Leichen versetzen die Stadt in Angst. Gerüchte über religiöse Ritualmorde machen die Runde. Nur zwei erliegen dem alten Aberglauben nicht: Zeitungsredakteur Johann und Manon, deren Vater als Rechtsmediziner die Überreste der Ermordeten obduziert. Die beiden erkennen, dass die Verbrechen die blutige Handschrift eines berüchtigten Mörders tragen – einer Gestalt wie aus dem dunkelsten Albtraum. Man nennt ihn »den Aal«, weil er einst lebensgefährlich verletzt wurde und seine Wunden nur dank der Schuppen eines Aals geheilt werden konnten. Doch der Aal wurde vor Jahren hingerichtet, Johann selbst hat die Enthauptung bezeugt. Bis Manon und er die wahren Hintergründe aufdecken, ist es für beide fast zu spät …

© Klappentext: dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

Frevel startet mit einem Auszug aus der Medicina forensis von Physicus und Chirurgicus Theophil Pontus, einer Figur aus diesem Buch, und verdeutlicht gleich, hier wird es detailliert um die Anfänge der Gerichtsmedizin gehen. Gleichzeitig läutet dieser Auszug das kommende Geschehen ein, denn als nächstes wohne ich einer Hinrichtung bei. Sie wird unglaublich detailliert beschrieben und spätestens jetzt ist klar: Für dieses Buch benötige ich einen starken Magen. Und den hat der junge Zeitungsredakteur Johann nicht. Er wird von seinem Chef dazu genötigt, direkt am Ort des grausigen Geschehens zu sein, damit am Ende die furchtbaren Details in aller Abscheulichkeit im „Frankfurter Korrespondenten“ abgedruckt werden können. Doch Johann ist nicht Journalist geworden, um Skandale und Sensationen auszuschlachten, sondern weil er der Wahrheit dienen möchte.
Sehr für die Wahrheit interessiert sich auch Manon, aber aus anderen Gründen. Im Gegensatz zu Johann und seiner offenen und Menschen zugewandten Art ist Manon mit einem analytischen Verstand gesegnet, der jedoch für eine scharfe Zunge sorgt. Dies ist in der Gesellschaft nicht gern gesehen, denn junge Damen wie Manon haben sich mit anderen Dingen zu beschäftigen als bei Obduktionen zu helfen.
Als Manon und Johann aufeinandertreffen wird schnell klar, dass sie ein gemeinsames Ziel haben. Das ungleiche Duo stellt sich mit ihren Fähigkeiten den entstehenden Herausforderungen so interessant, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen möchte.

Das Handlungsgerüst von Frevel ist komplex und verfügt über mehrere Perspektiven. Zum einen begleite ich mithilfe des personalen Erzählers sowohl Manon als auch Johann. Ihre Erlebnisse werden chronologisch erzählt. Hierbei hilft an den Kapitelanfängen die Angabe des Datums, des Wochentages und der Uhrzeit den zeitlichen Überblick zu behalten.
In regelmäßigen Abständen finden sich kursiv gedruckte Auszüge aus „Medicina forensis“ von Theophil Pontus, Manons Vater. Diese kurzen Einblicke sind gleichzeitig ein Fenster in den damaligen Wissensstand.
Besonders packend ist die dritte Perspektive, die mit der Überschrift „Irgendwann“ gekennzeichnet ist und wo mir eine Frau selbst von ihrem zu erduldendes Martyrium erzählt. Diese Szenen sind geschickt platziert und tragen erheblich zur Spannung bei, da ich viel spekuliere, wer die Namenlose sein könnte.

Nora Kain fängt den damaligen Zeitgeist intensiv ein. Es ist spürbar, wie ein neues Menschen- und Weltbild entsteht, aber auch, wie sehr es den Menschen schwerfällt, alte Denkmuster zu durchbrechen. Manon, ihr Vater und Johann stehen für den Fortschritt. Doch andere Charaktere sind der Kontrast zu ihnen, wie beispielsweise der sensationslüsterne Chef von Johann, der alles druckt, was irgendwie eine starke Auflage garantiert. Ohne Rücksicht auf den Wahrheitsgehalt. Alle Charaktere sind sehr gut und facettenreich ausgearbeitet.

Der Schreibstil ist flüssig und an den richtigen Stellen mit einem feinen Humor gespickt. Zudem ist er sehr bildgewaltig. Das raue Leben der damaligen Zeit wird ungeschönt dargestellt, ebenso die Morde, welche nicht nur dazu dienen, die Anfänge der Gerichtsmedizin zu beleuchten. Nora Kain blendet keine Details aus und so braucht es an so mancher Stelle im Buch einen starken Magen.
Auch emotional ist Frevel manchmal kaum auszuhalten. Die Darstellung der Leben der Juden und der Umgang mit ihnen in dieser Zeit schnürt mir öfter mal die Kehle zu. Dabei findet Nora Kain aber immer einen guten Ausgleich, in dem sie zwar die damaligen Denkmuster darlegt, gleichzeitig aber auch die Widersinnigkeit aufdeckt.

Frevel ist ein unglaublich rasanter historischer Thriller, der mit immer neuen Spannungskurven und überraschenden Wendungen zu fesseln weiß. Als sich Stück für Stück die Puzzleteile zusammenfügen, bin ich sprachlos und völlig gebannt von den Enthüllungen. Fast alles wird aufgeklärt und ganz besonders das Ende verblüfft mich. Hier beweist Nora Kain, wie hervorragend sie die historischen Hintergründe recherchiert hat und lässt sich nicht zu einem Schluss verleiteten, der für die damaligen Verhältnisse unrealistisch gewesen wäre. Auch wenn ich es mir gewünscht hätte. So aber hege ich die Hoffnung, dass es irgendwann mal eine Fortsetzung mit diesen tollen Charakteren gibt.

Frevel von Nora Kain
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Einen sehr bildlichen und detailgetreuen historischen Thriller, der durch seinen packenden Fall und seine Figuren zu überzeugen weiß.

Lesen:

Wenn ihr euch für die Anfänge der Gerichtsmedizin interessiert und ein Thriller sehr gern detailliert in seinen Grausamkeiten sein darf.

Weglegen:

Wenn ihr einen schwachen Magen habt und keine grausigen Szenen lesen könnt.

Mal ehrlich:

Frevel ist ein unglaublich gut recherchierter historischer Thriller, der mich nach Frankfurt ins Jahr 1800 entführt. Die Detailgenauigkeit in der Darstellung des damaligen Lokalkolorits beamt mich direkt in die schmutzigen Gassen, in denen ein Mörder sein finsteres Unwesen treibt. Seine Taten sind grausam und brutal. Die Ausführung selbst wird nicht geschildert, aber dank der intensiven Berichterstattung über die Obduktionen erfahre ich doch alles. Die ungeschönten Darstellungen sollten nicht von empfindlichen Menschen gelesen werden und obwohl ich selbst recht viel aushalten kann, so manches hat auch mir einen Schauer des Ekels den Rücken hinunter gejagt.
Die bildliche Sprache mit einer gut gespickten Portion Humor lässt mich durch das Buch fliegen.
Die Spannung ist konstant hoch, sodass ich von Anfang an ans Geschehen gefesselt bin. Die Wendungen sind immer plausibel, nachvollziehbar und stets unvorhersehbar.
Ein richtiges Highlight für mich sind die Charaktere. Allen voran Manon und Johann, denen ich beiden jeweils über die Schulter schauen darf. Sie stehen im Kontrast zu den abergläubischen Vorstellungen ihrer Zeit und verkörpern den aufkommenden Wandel in der Wahrnehmung von Wissenschaft, Frauenrollen und den Umgang mit anderen Ethnien.
Die brutale Realität der damaligen Zeit ist manchmal schwer auszuhalten. Doch Nora Kain sorgt immer für ein Gegengewicht.
Die Verflechtungen innerhalb des Handlungsgerüstes sind kniffelig und raffiniert. Ich habe viele Theorien, letzten Endes tritt keine ein.
Das Finale ist derart packend geschildert, dass die Spannung kaum auszuhalten ist. Das Ende stimmt mich etwas wehmütig, lässt mich aber gleichzeitig zufrieden zurück.

Fazit:

Frevel bietet alles, was es für einen packenden Thriller braucht. Etliche Spannungskurven, historische Tiefe und ein ungleiches, aber durchweg sympathisches Ermittlerduo.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

Lust auf einen weiteren historischen Thriller, welcher mit spannender Unterhaltung, verzwickten Mordfälle, kauzigen Charaktere und jede Menge packende Wendungen aufwarten kann?
Dann empfehle ich euch:
Das Buch des Totengräbers von Oliver Pötzsch