Habt ihr euch mal gefragt, warum es Menschen gibt, die den Drang verspüren, Kontakt zu Mördern aufzunehmen? Die ihnen unbedingt nahe sein wollen und ihnen Briefe schreiben? Manchmal kam mir die Frage in den Sinn, nur eine befriedigende Antwort habe ich nicht darauf gefunden. Dann begegnete mir das Buch Love Letters to a Serial Killer und meine Neugierde war geweckt.
In meiner Rezension „Love Letters to a Serial Killer” von Tasha Coryell bekommt ihr möglicherweise einen Eindruck davon, weshalb Menschen Serienmördern schreiben.
Leseexemplar
❧ Vielen Dank an Johanna für den netten Kontakt
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst
© Cover: zero-media.net, München
erschienen bei dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
Veröffentlicht 12. September 2024
Originaltitel Love Letters to a Serial Killer
Übersetzt von Susanne Goga-Klinkenberg
ca. 352 Seiten
erhältlich als Taschenbuch, Hörbuch und eBook
Klappentext
Genervt davon, ihre Freundinnen mit deren Ehemännern und Kindern in die Vororte verschwinden zu sehen, findet Hannah in einem Internet-Forum für True-Crime eine aufregende neue Beschäftigung. Die Community hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Morde an vier Frauen aufzuklären, die in einer Schlucht außerhalb von Atlanta abgelegt wurden. Als ein gutaussehender Anwalt namens William wegen der Morde verhaftet wird und sich die Beweise für seine Schuld ebenso schnell häufen wie die Leichen, beginnt Hannah, ihm Briefe zu schreiben: Vor Wut, aber auch, weil eine seltsame Faszination von ihm ausgeht. Und plötzlich schreibt William zurück …
© Klappentext: dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
Love Letters to a Serial Killer beginnt mit einer Vorausdeutung und gibt erste Hinweise, wie sich die Ereignisse um Hannah entwickeln werden. Dies weckt mein Interesse, denn ich möchte unbedingt erfahren, wie Hannah in diese missliche Lage kommt von einem Mörder gefangen gehalten zu werden. Doch bis sich das Warum aufklärt, beginnt die Reise bei einer unzufriedenen und unglücklichen Hannah.
Love Letters to a Serial Killer erzählt eindringlich von der Faszination der Gesellschaft für wahre Verbrechen und die dunkle Seite von menschlichen Beziehungen. Dafür erschafft Tasha Coryell den perfekten Charakter: Hannah. Sie ist eine unsympathische, neurotische und selbstzerstörerische Figur.
Hannahs verzweifelte Suche nach Liebe und Aufmerksamkeit kollidiert mit ihrer Einsamkeit und tiefen Unzufriedenheit. Und plötzlich eröffnet sich für Hannah eine Möglichkeit, alldem zu entkommen. Sie entwickelt eine Besessenheit für Serienmörder, die eher zufällig entsteht.
Als ihr Freund sich von ihr trennt, sucht sie Ablenkung in Internetforen. Denn in Atlanta werden immer wieder tote Frauen aufgefunden und in den True Crime Foren rotten sich die Hobby-Detektive zusammen, um die Fälle zu lösen. Hannah sieht sich als wichtige Figur bei der Ermittlung nach der Wahrheit. Doch dann wird plötzlich der Täter gefasst. William. Er soll die Morde begangen haben und damit wäre Hannahs Mission zu Ende und ihr Alltagssinn dahin. Sie beschließt William einen Brief zu schreiben. Dieser ist voller Hass, doch als er ihr antwortet, beginnt Hannahs emotionale Welt zu kippen und es entspinnt sich ein reger Briefverkehr.
Obwohl die Antiheldin Hannah eine unzuverlässige Erzählerin ist, bindet sie neben satirischen Kommentaren über die moderne Dating-Kultur, Handlungsweisen von Vorgesetzten und die Tücken einer vernetzten Welt auch die Morde an den Frauen in die Handlungen mit ein. Ich erfahre ein bisschen was über die Todesumstände und das Leben der Frauen. Das lockert das dichte Handlungsgeschehen um Hannahs innere Konflikte zusätzlich mit einem humorvoll und bissigen Schreibstil auf. Dadurch lässt sich Love Letters to a Serial Killer flott und leicht lesen.
Tasha Coryells tiefgründige Charaktere setzen sich gekonnt und auf den Punkt mit sozialen Themen auseinander. Doch dabei gehen Möglichkeiten verloren, um für überraschende Wendungen innerhalb der Handlungsstränge zu sorgen. Schon ab der Hälfte von Love Letters to a Serial Killer ist mir klar, wie sich alles entwickeln wird. Und dennoch bleibt die morbide Mischung aus Faszination und Unverständnis für Hannah, die mich beim Weiterlesen dranbleiben und mich zusehen lässt, wie sich Hannah verändert. Wie sie mehr zufällig als gewollt hinter die dunklen Geheimnisse einer reichen Familie kommt und dabei sich selbst entdeckt.
Das Ganze wird eher nebenbei erzählt und so könnte es für manchen Lesenden den Ausschlag geben, Love Letters to a Serial Killer nicht packend genug zu finden.
Ich jedoch mag die Mischung und die Umsetzung, auch wenn ich es gern noch eine Spur spannungsvoller und weniger offensichtlich gehabt hätte.
Das Finale kann mich dann doch überraschen und beim Ende bleibt mir der Mund vor Fassungslosigkeit offenstehen.
© Foto: Monique Meier
Kurz gesagt:
Was dich erwartet:
Dies ist kein amouröser Thriller, sondern der Blick in eine zutiefst zerrüttete Seele einer Frau in ihren Dreißigern, die unglücklich mit ihrem Leben ist. In dunklen Facetten werden menschliche Beziehungen skizziert sowie die Suche nach Identität und Zugehörigkeit.
Lesen:
Wenn ihr ungewöhnliche Charaktere und eine originelle Geschichte zu schätzen wisst, dann solltet ihr Love Letters to a Serial Killer eine Chance geben.
Weglegen:
Wenn ihr unsympathische Protagonisten nicht mögt, wird euch das Buch keine unterhaltsamen Lesestunden bescheren und ihr solltet es zur Seite legen.
Mal ehrlich:
Love Letters to a Serial Killer ist völlig anders, als ich es erwartet habe. Tasha Coryell erschafft die Antiheldin und Ich-Erzählerin Hannah. Sie ist eine unsympathische Person mit einem Hang zur Selbstzerstörung. Ihre Besessenheit für Serienmörder zeigt ihre tiefen psychologischen Probleme und ihre verzweifelte Suche nach Liebe und Aufmerksamkeit. Hannahs Wunsches ist es, gesehen und verstanden zu werden. Und damit wird diese Erzählung zu einem Augenöffner, weshalb es Menschen gibt, die aus freien Stücken die Nähe zu Mördern suchen.
Ihre Besessenheit für William kommt anfänglich fast unscheinbar zustande. Als ihr Freund sie verlässt und in der Umgebung Frauen auf brutale Art zu Tode kommen, tritt Hannah ihre Flucht aus dem grauen Alltag in die Welt des Internets an. Dort treibt sie sich in True Crime Foren rum und glaubt zur Lösung der Fälle beizutragen. Gleichzeitig beschreibt sie auf eine humorvolle und bissige Weise die Datingkultur und die Tücken der Arbeitswelt. Als William als mutmaßlicher Täter verhaftet wird, scheint ihre neu erschaffene Welt wieder in sich zusammenzustürzen. Ihr Lebenszweck ist weg, bis sie sich entschließt, William einen Brief zu schreiben.
Hannah ist Dreh- und Angelpunkt in diesem eher leisen Thriller. Tasha Coryell baut nicht auf blutrünstige und adrenalinpeitschende Szenen, sondern auf einen stillen und tiefen psychologischen Thriller. Mit Hannah wird es eine wilde Reise auf der Suche nach sich selbst und der Wahrheit, die zum Nachdenken anregt. Das Buch lebt von der expliziten Sprache und beunruhigenden Entscheidungen sowie Todesgedanken seitens Hannah. Fast beiläufig wird sich mit der wahren Schuldigkeit Williams beschäftigt und dies auch nicht sonderlich raffiniert. Mir ist recht bald klar, in welche Richtung sich das Geschehen wenden wird und doch büßt es nichts von der Faszination ein, die diese Geschichte umgibt. Das Ende lässt mich unerwartet sprachlos zurück.
Fazit:
Love Letters to a Serial Killer ist ein Thriller, der sich stark auf seine Protagonistin fokussiert und trotz Schwächen innerhalb des Handlungsgerüstes eine originelle und unterhaltsame Lektüre ist.
*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*
Lesetipp:
Möchtet ihr erfahren, wie es ist, sich auf die Suche nach einem Serienmörder zu begeben?
Dann empfehle ich euch:
Ich ging in die Dunkelheit: Eine wahre Geschichte von der Suche nach einem Mörder von Michelle McNamara
Um ehrlich zu sein, schaue ich auch gern mal die ein oder andere True Crime Story im Fernsehen! Aber nicht, weil mich die Täter faszinieren, sondern die winzigen Details, die sie am Tatort hinterlassen! Da kann das Ganze noch so präzise geplant gewesen sein, am Ende wird irgendeine selten Teppichfaser oder ein Insekt am Tatort gefunden, die alles verraten!
Mit Menschen, die anderen Menschen Schlimmes angetan haben, würde ich nie Kontakt aufnehmen! Was Menschen wie Hannah da wohl bewegt?
Liebe Grüße
Jana
Liebe Jana,
um das herauszufinden, musst du dieses Buch lesen 😉
Ich kann deine Faszination für True Crime defintiv teilen. Genau die Aspekte die du ansprichst, reizen mich daran. Es gibt kein perfektes Verbrechen. Irgendein Indiz ist immer da, womit sich der Fall lösen lässt. Manchmal aber wird das erst nach Jahrzehnten entdeckt.
Liebe Grüße
Mo
Als ich den Titel des Buches gelesen habe, bin ich sofort neugierig geworden! Und deine Rezension hat mich richtig bestätigt, denn ich mag solche Geschichten mit einer ungewöhnlichen Protagonistin und auch die eher ruhige Erzählweise könnte was für mich sein. Kommt auf jeden Fall auf meine Merkliste. Danke für den Tipp!
Liebe Grüße,
Diana