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Ich las den Klappentext und war sofort fasziniert von der Plotidee. Wer kennt nicht die reißerischen Schlagzeilen, wenn ein Mörder dingfest gemacht wurde, der für die Nachbarschaft einfach nur der liebe und nette Mensch von nebenan war. Aus diesem Stoff sind doch Geschichten gemacht und so musste ich unbedingt dieses Buch mit dem hübschen roten Buchschnitt haben.

In meiner Rezension „Das Gästezimmer“ von Clémence Michallon werde ich nicht vom schönen Cover schwärmen, sondern erzählen, wie mir der Psychothriller gefallen hat.

Leseexemplar
❧ Dieses Buch habe ich als Freiexemplar vom Bloggerportal erhalten
❧ Vielen Dank an Maria Mühlbauer für die Genehmigung
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst

 

Das Gästezimmer von Clémence Michallon
© Umschlaggestaltung: Johannes Weibel | punchdesign

Infos zum Buch
erschienen bei Blanvalet Verlag
Veröffentlicht 16. August 2023
Originaltitel The Quiet Tenant
Übersetzt von Urban Hofstetter
ca. 448 Seiten
erhältlich als Taschenbuch und eBook
 

Klappentext

Du lebst im Gästezimmer, aber du bist nicht sein Gast. Du bist seine Gefangene … Ein brillant geschriebener Pageturner, der einen nicht mehr loslässt!

Er gilt als der perfekte Vater und Nachbar: der Witwer Aidan. Charmant, hilfsbereit und fürsorglich. Nur Rachel – diesen Namen hat er ihr gegeben – kennt seine düstere Seite. Denn seit fünf Jahren wird sie von Aidan in dessen Schuppen gefangen gehalten. Als er gezwungen ist umzuziehen, überredet Rachel ihn, sie ins neue Haus mitzunehmen. Sie wird im Gästezimmer einquartiert, wo sie die meiste Zeit angekettet ans Bett oder die Heizung verbringt. Auf den Moment wartend, in dem sie fliehen kann. Doch dann lernt Aidan Emily kennen, eine junge Barkeeperin. Plötzlich muss Rachel fürchten, dass Aidan sie tötet, um sie loszuwerden …

© Klappentext: Blanvalet Verlag

Mir gefällt der Einstieg in „Das Gästezimmer“. Er impliziert, dass ich die Frau, welche in einem Schuppen gefangen gehalten wird, sein könnte. So entsteht sofort eine packende Nähe und ich bin neugierig, wie sich die Geschichte weiterentwickeln wird.

Im Verlauf lerne ich weitere Frauen kennen. Manche nur sehr flüchtig, andere begleite ich länger. Sie alle erzählen mir aus der Ich-Perspektive was sie mit Aidan, dem Antagonisten aus „Das Gästezimmer“ verbindet. Nur eine Perspektive bleibt konsequent in der Du-Ansprache, wenn es um die Frau vom Anfang geht. So bleibe ich stets ein direkter Teil dieser Geschichte, welche einen fesselnden Sog für mich entwickelt. Wenn ich nicht weiterlesen kann, so beschäftige ich mich gedanklich weiterhin mit diesem aufregenden Plot.

Die kurzen Kapitel machen es mir leicht, mehr lesen zu wollen, als ich eigentlich Zeit habe. Es fasziniert mich, wie sich ständig die Dynamik innerhalb der Erzählung ändert und ich frage mich, wann es zu Gunsten der Frauen sein wird.

Es ist ein leiser, aber eindringlicher Psychothriller, in dessen Fokus zwar der Serienmörder steht, aber welchen ich ausschließlich aus der Sicht der Frauen kennenlerne. Durch die verschiedenen Perspektiven auf ihn ergibt sich ein vielschichtiges Bild, sodass er als Person nicht einfach nur einfarbig dargestellt wird. Er ist ein Mensch mit einer lichten, aber auch einer furchtbar dunklen Seite.

Clémence Michallon geht bei den eigentlichen Grausamkeiten nie ins Detail, sie fordert die Fantasie ihrer Leser heraus. Auch ergötzt sie sich nicht an dem Leid der Frauen oder stillt die morbide Neugierde der Lesenden, sondern versucht das Überleben der Frauen, den Kampf mit dem Schicksal herauszuarbeiten. Clémence Michallon stellt heraus, wie die Frauen versuchen, damit klarzukommen, dass etwas gegen ihren ausdrücklichen Willen geschieht oder gar von einem Mann Hoffnung gemacht zu bekommen, dessen Launenhaftigkeit nicht greifbar ist und sie mal voller Glück und dann wieder voller Hoffnungslosigkeit sind. Das imponiert mir und macht mich süchtig nach dem Buch.
Die Art, wie Clémence Michallon „Das Gästezimmer“ erzählt ist, unglaublich spannend und intensiv. Die Zwischentöne machen diesen Psychothriller so spektakulär. Oft läuft mir eine Gänsehaut über den Rücken, so eindringlich wird das Geschehen geschildert.
Das Setting trägt seinen Teil dazu bei, dass ich mich oft beklommen fühle. Ich leide mit der Frau vom Anfang von Beginn an mit und begleite sie gern.

Etwa beim letzten Drittel von „Das Gästezimmer“ wird der Spannungsbogen intensiver. Es liegt das Knistern von Veränderung in der Luft. Es bleibt stets unvorhersehbar und den Showdown finde ich sehr aufregend. Das Ende ist nüchtern, was mir aber im Kontext gut gefällt. Ein kleines bisschen mehr Auflösung, einen größeren Blick aufs Ganze hätte ich gut gefunden, da aber der Fokus ganz klar auf den Frauen liegt, passt dies hervorragend zur Gesamtkonstruktion.

Das Gästezimmer von Clémence Michallon
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Ein Psychothriller, der grausige Details nur hauchzart andeutet und die Taten eines Killers aus der weiblichen Sicht der Opfer, der Familie und Bekannten erzählt.

Lesen:

Wenn ihr Lust auf eine andere Art habt, wie ein Psychothriller erzählt werden kann. Ohne beleuchtete Gewalteskapaden und offensichtliches Blutvergießen.

Weglegen:

Wenn ihr Showeffekte benötigt und adrenalinpeitschende Szenen. Das hat der Thriller nämlich nicht, da es hier um den Kampf über das Überleben der Frauen geht, die einem Serienmörder ausgeliefert sind.

Mal ehrlich:

In „Das Gästezimmer“ wollte ich nur mal kurz reinlesen. Und bin dann hängen geblieben. Ich liebe die Art des Erzählens von Clémence Michallon. Sie verwendet ausschließlich die Ich-Perspektive, mit Ausnahme der Frau, die später das Gästezimmer bewohnt. Hier ist die Ansprache direkt, dass „Du“ lässt mich hautnah an ihrem Kampf um das Überleben teilhaben. Vielleicht ist das sogar meine Geschichte? Diese Illusion ist zwar nicht perfekt, aber sie sorgt dafür, dass ich tief in das Buch abtauche und durch die kurzen Kapitel nur so durchfliege.
Der Clou an diesem Thriller ist, dass die Geschichte nur aus weiblicher Sicht erzählt wird. Jede Frau, die zu Wort kommt, ist auf irgendeine Weise, egal ob positiv oder negativ, mit dem Täter verbunden. Manchen begegne ich nur ganz kurz, fast Schatten gleich, andere begleite ich länger. Nie werden die Taten im Detail beschrieben, es liegt nur eine Andeutung in der Luft, wie grausam der Serienmörder sein muss. Das bewahrt zum einen seine Menschlichkeit, aber auf der anderen Seite hebt es den Kampf der Frauen um ihre Zukunft in den Fokus. Genau deshalb liebe ich diesen Thriller.
Der Psychothriller ist leise, manchmal kühl erzählt. Aber die Zwischentöne erzeugen eine Gänsehaut, die ich auch nach dem Lesen nicht mehr loswerde. Die Frauen und ihr Schicksal berühren mich. Beschäftigen meine Gedanken noch lange.
Erst im letzten Drittel verändert sich die Atmosphäre. Hoffnung macht sich breit, das Knistern eines Showdowns ist spürbar. Das Ende ein echter Wettlauf um die Zeit. Ums Leben. Perfekt. Nicht alles wird im Detail aufgeklärt, das hätte aber auch nicht zur Story gepasst. Für mich ist es ein Lesehighlight!

Fazit:

Ein unglaublich intensiver Psychothriller, der ohne Tamtam und blutigen Detaileffekten auskommt und besonders durch die Zwischentöne Gänsehaut erzeugt. Leise wird das Schicksal von Frauen erzählt, die einem Serienmörder begegnen und ihm gewollt oder nicht nahestehen.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

Lust auf einen durchgängig spannenden Thriller, der aktuelles Zeitgeschehen mit in die Geschichte einbettet?
Dann empfehle ich euch:
Der Morgen von Marc Raabe