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Im Jahr 2020 wurde der Roman von Jean-Christophe Grangé „Die purpurnen Flüsse“ erfolgreich verfilmt. Noch immer denke ich gern an die Verfilmung zurück, das Buch habe ich jedoch nie gelesen. Als sich mir nun die Möglichkeit bot, ein Werk von Grangé zu lesen, war mein Interesse sofort geweckt. Würde mir dieses Buch gefallen, dann würde ich auch „Die purpurnen Flüsse“ lesen.

In meiner Rezension „Die marmornen Träume“ von Jean-Christophe Grangé gibt es einen Blick in die düstere Deutsche Geschichte und meine Meinung zu diesem fast 700 Seiten starken Werk.

Leseexemplar
❧ Dieses Buch habe ich als Freiexemplar von Tropen Verlag erhalten
❧ Vielen Dank für das schöne Buchpaket
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst

 

Die marmornen Träume von Jean-Christophe Grangé
© Cover: Zero-Media.net, München

Infos zum Buch
erschienen bei Tropen
Veröffentlicht 18. Februar 2023
Originaltitel Les Promises
Übersetzt von Ina Böhme
ca. 688 Seiten
erhältlich als Gebundenes Buch, Hörbuch und eBook
 

Klappentext

Der Meister der französischen Spannung: so episch und böse wie nie!

Berlin 1939: Während die Welt dem Grauen des Zweiten Weltkrieges entgegenblickt, treffen sich die schönen Damen der Nazi-Elite zum Champagner im Adlon. Sie scheinen unantastbar. Bis an der Spree eine brutal zugerichtete Frauenleiche gefunden wird. Sie war eine von ihnen, und die Spur des Täters reicht bis in die obersten Führungskreise des Regimes. Jean-Christophe Grangé mit seinem ersten historischen Berlin-Thriller: eine erbarmungslose Jagd in den finstersten Abgründen der menschlichen Existenz.

Simon Kraus ist ein brillanter Psychoanalytiker und Traumforscher. Und er ist ein gerissener Gigolo: Erst verführt er seine Klientinnen, allesamt Ehefrauen hochrangiger Nazi-Funktionäre, dann erpresst er sie für sein Stillschweigen. Ein lukratives Geschäft. Doch eines Tages sucht ihn der SS-Offizier Franz Beewen auf: Eine von Kraus‘ Klientinnen wurde grausam ermordet. Sie gehörte zum Wilhelmklub, einem illustren Zirkel reicher Nazi-Frauen, der jeden Tag im Hotel Adlon zusammenkommt. Während Simon Kraus im Adlon unauffällig seine Kontakte spielen lässt, werden weitere Frauenleichen entdeckt. Unversehens gerät Kraus immer tiefer in die Ermittlungen der Gestapo gegen den brutalen Mörder – und mit ihm die Psychiaterin Minna von Hassel, die mit ganz eigenen Dämonen ringt. Gemeinsam müssen sie erkennen, dass das Böse bei Weitem nicht nur dort lauert, wo man es vermutet.

© Klappentext: Tropen

Das blutrote Cover mit der Frau und den marmornen Spuren auf ihrer nackten Haut ist eindrucksvoll. Mir schwant Übles und das Cover kann durchaus als kleine Vorschau in eine Geschichte gewertet werden, die wirklich nichts für zarte Seelen ist. Jean-Christophe Grangé lässt seine Handlungen im Nazi-Deutschland im Jahr 1939 mitten in Berlin spielen. Das Grauen und die Schreckensherrschaft des NS-Regimes dominieren die Geschichte und verknüpft reales Zeitgeschehen mit einem fiktiven Fall. Das meistert Grangé so gekonnt, dass es mir oft schwerfällt, zwischen Fiktion und Wahrheit zu unterscheiden.

Dabei starten „Die marmornen Träume“ beinahe ruhig, idyllisch. Ich lerne als erstes Simon Kraus kennen. Er ist Traumforscher und arbeitet als Psychoanalytiker. Seine Klientinnen sind ausschließlich weiblich und gehören der Nazi-Elite an. Schnell wird klar, weshalb Simon sich ausgerechnet auf diesen Kundenstamm fokussiert hat und dass seine Absichten weder edel noch rein sind. Charakterlich möchte ich Simon gernhaben, denn seine Abneigung gegenüber der braunen Macht ist spürbar. Andererseits ist er auch Nutznießer des Schreckensregimes, was er wiederum für sich ausblendet. So fällt es mir schwer, Simon vollendend zu mögen, wenngleich er mir von allen anderen Charakteren am angenehmsten ist.

Mitten in Simons beschauliches Leben platzt Franz Beewen, Hauptsturmführer bei der Gestapo. Grobschlächtig im Aussehen und seiner Art, gefährlich in seinem Handeln. Sein Hass ist sein Motor, Franz will kein Ermittler sein, sondern im Krieg gegen die verhassten Franzosen kämpfen. Franz ist mir sofort unsympathisch, sein ganzes bäuerisches Auftreten ist anstrengend, aber passend zu seiner Figur.
Ich erfahre, dass Franz unter dem Radar ermitteln soll, wer die schönen Frauen der Nazi-Elite gnadenlos abschlachtet. Sein Weg führt ihn unweigerlich zu Simon, denn diese Frauen sind dessen Klientinnen.
Unfreiwillig werden Simon und Franz zu einem Ermittlungsgespann, dass recht schnell Unterstützung durch die saufende und Drogen konsumierende aristokratische Minna von Hassel, Leiterin der Nervenheilanstalt Brangbo, bekommt. Das Gespann ist skurril, auf den ersten Blick trennt sie mehr, als sie verbindet. Doch das macht irgendwie ihre Stärke aus und fördert ihre eigenen Entwicklungen. Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich beginne, die drei immer mehr ins Herz zu schließen, dabei sind sie alle keine wirklichen Sympathieträger. Sie sind Antihelden in einem Kampf um verzweifelte Gerechtigkeit in einem Land, wo es gar keine Unvoreingenommenheit und Fairness mehr gibt.
Besonders Franz, seine charakterliche Entwicklung finde ich unglaublich faszinierend. War er zu Beginn ein Tyrann, so entdeckt Franz sein Herz und mehr noch, er stellt sich selbst und seine Überzeugung infrage. Die Ereignisse zwingen ihn förmlich dazu. Und auch Simon und Minna müssen erkennen, dass sie sich in einer Illusion sichergefühlt haben.

Grangé lässt sich mit der Entwicklung der Geschichte Zeit. Er liebt es, ausschweifend zu erzählen, was die Spannung zwar drückt, gleichzeitig aber mein Interesse wachhält. „Die marmornen Träume“ leben von Grangés Geschick, historische Details so perfekt mit seinen Charakteren zu verknüpfen, dass ich mich nicht des Gefühls erwehren kann, dass es genauso hätte gewesen sein können.
Ich lerne die drei Hauptfiguren intensiv mit allen ihren Facetten, Geheimnissen, Gedanken und Emotionen kennen. Gleichzeitig zeichnet Grangé das Aussehen Berlins um 1939 sowie die dort vorherrschende Atmosphäre kurz vor Kriegsbeginn so eindrucksvoll, dass die Geschichte förmlich lebt. Ich kann tief in die Zeit abtauchen und versinke gleichzeitig in einem braunen Morast, dessen Ideologie mich würgen lässt.
Grangé scheut sich nicht, seinen Schreibstil auf die handelnden Personen anzupassen, auf denen gerade der Fokus des personalen Erzählers ruht. So erhalten die Charaktere noch mehr Tiefgang und die Perspektivwechsel fühlen sich natürlich an. Das ist sehr nützlich, da die Kapitel lediglich nummeriert sind. „Die marmornen Träume“ sind in fünf große betitelte Abschnitte untergliedert, sodass klar wird, was der jeweilige zentrale Erzählpunkt ist.
Recht schnell wird deutlich, wie das Buch zu seinem Titel kam und ich mag das sehr. Die Verbindung zwischen dem Täter, dem Marmormann und den Träumen bleibt lange im Dunklen, was mich zum Miträtseln einlädt.

„Die marmornen Träume“ leben vom historischen Setting und der politischen Lage jener Zeit. Der Kriminalfall wird so ausgeklügelt in das Zeitgeschehen eingebettet, dass sich die Entwicklungen, die stets unvorhergesehene Wendungen in petto haben, überzeugend und schlüssig präsentieren. Die Auflösung habe ich überhaupt nicht kommen sehen. Sie hat mich abgestoßen und fasziniert zugleich. Und gerade als ich denke, dass es mehr nicht zu erzählen gibt, zieht Grangé noch ein Ass aus dem Ärmel. Völlig unerwartet kommt ein Plot Twist, der leider ein bisschen zu dick aufgetragen ist, um glaubwürdig zu sein. Aber das schmälert den Thriller nur geringfügig, denn der Schrecken dieses Buches wird noch lange in mir nachhallen.

Die marmornen Träume von Jean-Christophe Grangé
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Ein Thriller, der in der sehr unruhigen Zeit des nationalsozialistischen Deutschlands kurz vor Kriegsbeginn 1939 spielt und dabei nicht nur die Grausamkeiten der Morde beleuchtet, sondern auch die Schreckensherrschaft des NS-Regimes.

Lesen:

Wenn ihr einen Thriller lesen mögt, der sich einem sehr dunklen Kapitel Deutschlands widmet und drumherum einen packenden Fall um ermordete Frauen der Nazi-Elite spinnt.

Weglegen:

Wenn ihr keinen starken Magen habt, solltet ihr das Buch lieber meiden. Nicht nur die detaillierten Morde sind erschütternd, sondern auch die Ideologie des NS-Regimes sorgt für starken Brechreiz. Wenn ihr unsicher seid, schaut in die Leseprobe.

Mal ehrlich:

Auf den ersten Blick scheinen „Die marmornen Träume“ ein Thriller zu sein, indem ein sadistischer Killer die Ehefrauen von NS-Würdenträgern brutal ermordet. Um herauszufinden, weshalb die Frauen sterben mussten und wer dafür verantwortlich ist, finden drei völlige verschiedene Persönlichkeit zueinander.
Da wäre Gigolo Simon von Berufswegen Psychoanalytiker, der seine geringe Körpergröße gern durch edle Kleidung und schöne Frauen zu kompensieren versucht. Er kennt die Ermordeten persönlich, was ihn in den Fokus des aktuellen Ermittlers Franz rutschen lässt. Dieser ist Hauptsturmführer bei der Gestapo, der nur Gewalt und Hass kennt. Das Trio vervollständigt die unter Drogen stehende und alkoholkranke aristokratische Psychiaterin Minna. Sie kümmert sich um den kranken Vater von Franz. Was auf den ersten Blick wie ein Witzfigurenkabinett wirkt, ist in Wahrheit klug gewählt.
Die drei werden zu einem eher unfreiwilligen Ermittlerteam, das tief in den braunen Sumpf, der sie umgibt, zu wühlen beginnt. Während sie vordergründig in diesem so verworrenen und voller Geheimnissen belegten Fall ermitteln, wird ihnen die Abscheulichkeit des Regimes immer deutlicher vor Augen geführt. Sie beginnen nicht nur das Motiv für die Morde zu ergründen, sondern auch sich selbst infrage zu stellen. Die Detailverliebtheit von Grangé ist dabei kein Nachteil, viel mehr zieht er mich dadurch noch tiefer in diese abscheuliche Story, die mich oft erschauern lässt.

Grangé wählt seinen Schauplatz nicht ohne Grund. Er verbindet meisterhaft die Schrecken der Nazi-Herrschaft, ihr ideologisches Gequatsche und diesen grenzenlosen Hass gegenüber jedem und allen, was nicht in ihr Weltbild passt, mit einer Verschwörung, die in diesem Wirrwarr aus Gräueltaten und Ungerechtigkeiten zu suchen ist. Dabei verliert Grangé niemals die eigentlichen Morde aus den Augen, legt massenweise falsche Fährten aus und überrascht mit vielen unvorhergesehenen Wendungen. Auf die Lösung des Falls wäre ich nie gekommen, und obwohl die Erklärungen mich absolut sprachlos zurückgelassen haben, empfinde ich das Ende ein bisschen zu überzogen.

Fazit:

Ein sehr vielschichtiger Thriller, dessen gewählter Schauplatz mitten in Berlin der 1939er-Jahre schon allein für Grauen sorgt. „Die marmornen Träume“ sind eine Mahnung, dass das Böse viele Facetten hat und nicht alles so ist, wie es vordergründig den Anschein hat.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

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