Egal ob Märchen, Legenden oder Geistergeschichten, egal ob nah oder fern, solche Kulturgüter interessieren mich immer. Logisch, dass ich da an den chinesischen Geistergeschichten nicht vorbeikomme, wenn mir so ein Buch ins Auge fällt.

In meiner Rezension „Die schöne Füchsin: Chinesische Geistergeschichten“ von Ming Wang nehme ich euch mit in eine Welt, in der Menschen und Geister auch friedlich miteinander leben können.

Leseexemplar
❧ Dieses Buch habe ich als Freiexemplar vom Drachenhaus Verlag erhalten
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst

 

Die schöne Füchsin: Chinesische Geistergeschichten
© Cover: Hermann Kienesberger, Nora Frisch

Infos zum Buch
erschienen beim Drachenhaus Verlag
Veröffentlicht 1. November 2021
weitere Autoren Franz König und Felix Winter
ca. 140 Seiten
erhältlich als gebundenes Buch
 

Klappentext

Die chinesische Mythologie reicht Jahrtausende zurück. Die Mythengeschichten handeln oft von der Begegnung zwischen Menschen und Geistern, Männern und Frauen. Sie können romantisch sein, manchmal auch etwas gruselig oder sogar erotisch, besonders wenn weibliche Fuchsgeister darin vorkommen.

© Klappentext: Drachenhaus Verlag

Das Cover finde ich wunderschön und auch haptisch liegt das Buch toll in der Hand. Die Kalligrafie zu den einzelnen Erzählungen wurden extra für diese Sammlung angefertigt und sehen richtig edel aus. Besonders mag ich es, dass „Die schöne Füchsin: Chinesische Geistergeschichten“ optisch super zu dem Buch „Die Weisse Schlange: Chinesische Mythen, Märchen und Legenden“ passt. Auch dieses Buch ist im Drachenhaus Verlag erschienen.

Der chinesische Volksglauben unterscheidet sich sehr vom europäischen und dazu muss ich nicht in „Die schöne Füchsin: Chinesische Geistergeschichten“ blicken, um das zu wissen. Diese Unterschiede sind es, die mich interessiert aufblicken lassen und mich neugierig auf diese Sammlung machen. Die ausgewählten Erzählungen in diesem Buch spiegeln nur einen Bruchteil der riesigen Fülle an verschiedensten Geistergeschichten aus China wieder. Im chinesischen Volksglauben tummeln sich einfach viel mehr Geister, Dämonen und göttliche Wesen als im europäischen Volksglauben. Daher verwundert es mich einwenig, dass sich viele dieser Geschichten in diesem Buch gar nicht gruselig oder gar schaurig sind. Oft finde ich sie amüsant, manchmal lesen sie sich wie eine Liebesgeschichte und gelegentlich gibt es auch eine Prise Erotik dazu. Diese besondere Mixtur gefällt mir sehr gut.

Die einundzwanzig Erzählungen haben eine angenehme Länge und liegen im Durchschnitt bei fünf Seiten. Zu Beginn dachte ich noch, dass ich zügig durch das Buch kommen würde, aber tatsächlich wollte ich mir dann beim Lesen viel Zeit nehmen. Denn obwohl die Geschichten verständlich und leicht formuliert sind, so ist doch das Füllhorn an Anspielungen, beschriebenen Traditionen, Regeln und Strukturen fremd für mich. So taste ich mich langsam vorwärts, sauge die einzelnen Erzählungen in mich auf und gelegentlich blättere ich ans Ende des Buches, wo mich interessante Hintergründe rund um die chinesische Kultur der Geistergeschichten erwarten. Das ist sehr hilfreich, um die unterschiedlichen Bereiche des Jenseits zu verstehen und wie im Glauben der Menschen die Welt dort funktioniert und aussieht. Besonders mag ich, dass diese Informationen mir helfen, die unterschiedlichen Erzählungen besser einordnen zu können und weshalb manches so geschildert wird. Interessant finde ich dabei auch den kritischen Unterton, der mitschwingt und sich oft an jene Zeit richtet, aus der die Erzählung stammt. Die Werte rund um Traditionen, Gerechtigkeit sowie moralische Leitlinien dahinter treten so greifbarer hervor und gewähren mir einen klitzekleinen Blick in die vergangenen Tage der alten Zeiten.

Jede der ausgewählten Erzählungen hat mir auf ihre eigene Art gefallen. Die Gedanken rund um die Wiedergeburt und Seelenwanderung sind bisweilen schön, manche wiederum schrecken mich ab und so entsteht ein schöner bunter Geschichtenmix.
Bei einigen Geschichten finde ich das Ende ziemlich abrupt und ich fühle mich etwas hängen gelassen. Gelegentlich erscheinen mir bestimmte Muster innerhalb der Erzählungen suspekt. So versterben viele Menschen recht rasch an Trauer, was für mich nicht greifbar ist. Das liegt durchaus an den kulturellen Unterschieden und macht deutlich, wie wenig Berührungspunkte ich zum chinesischen Volksglauben habe.
Besonders schaurig ist für mich „Die Leiche aus der Herberge“, bei „Die Grille“ bin ich emotional sehr nah an der Erzählung dran und ich habe schon früh die richtige Idee, in welche Richtung sich die Geschichte bewegen wird.
„Die Liebestorheit“ berührt mich sehr.

Die schöne Füchsin: Chinesische Geistergeschichten
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Ein kleiner Blick auf die vielfältige Geisterwelt des feudalen Chinas und interessante Unterhaltung.

Lesen:

Wenn ihr euch für die chinesische Kultur und dessen Erzählungen interessiert.

Weglegen:

Ihr wollt nichts über Diesseits, Jenseits und die Begegnung zwischen Menschen und Verstorbenen lesen? Das ist schade, weil es wirklich interessant ist. So sollte aber das Buch dann besser nicht den Weg in eure Hand findet.

Mal ehrlich:

In „Die schöne Füchsin: Chinesische Geistergeschichten“ finden sich 21 ausgewählte Erzählungen, welche die Bandbreite der Vorstellungen innerhalb des Volksglaubens im alten China ankratzen.
So lese ich über die Geister von Verstorbenen, die Menschen begegnen und mit ihnen interagieren. Oder von der Unterwelt mit seinen vielfältigen Bestrafungsmethoden, um die Seele zu läutern, von Wiedergeburt und Seelenwanderung.
Die Geschichten sind allesamt unterhaltsam. Manche bunt und fröhlich, manche tückisch und gefährlich, andere sind wiederum angefüllt mit Liebe und Freundschaft. Einiges bleibt mir fremd, zum Beispiel, das viele Menschen in den Geschichten recht schnell an Trauer versterben, egal wie jung oder alt sie sind. Aber auch das Wiederauferstehung möglich ist, nachdem jemand schon mehrere Tage bis Wochen tot war. Auf wundersame Weise ist der Körper nicht am Verwesen, was ich seltsam finde. Anderseits handelt es sich dabei um Geschichten, wo alles möglich ist.
Die Erzählungen sind angenehm kurz, aber dennoch nicht so einfach zu verarbeiten, wie sie sich lesen lassen. Denn es steckt viel Angedeutetes dahinter. So wird mir beim Lesen klar, das manche der Geschichten wie ein Fenster in die Vergangenheit sind. Ich bekomme eine Ahnung davon, was der ursprüngliche Erzähler seinem Publikum mitteilen wollte, und gelegentlich erhasche ich einen Eindruck, wie das Leben damals gewesen sein muss, mit all seinen Traditionen, Strukturen und Rechten. Kompliziert, aber unglaublich spannend.
Kurz um: Die chinesischen Geistergeschichten sind facettenreich und meine absolute Lieblingsgeschichte ist „Die Liebestorheit“.

Fazit:

„Die schöne Füchsin: Chinesische Geistergeschichten“ ist mehr als nur eine Sammlung von 21 verschiedenen alten Erzählungen. Viel mehr gewähren diese einen Blick auf das feudale China, auf dessen Werte und Traditionen, ja sogar auf historische Lebensumstände. Gleichzeitig wissen die Geschichten zu unterhalten und werden am Ende sogar noch um Hintergrundwissen erweitert, damit der Kern der einzelnen Erzählungen verständlicher wird.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

Möchtet ihr mehr aus China lesen und in die Welt der Märchen und Mythologien abtauchen?
Dann empfehle ich euch:
Die Weisse Schlange: Chinesische Mythen, Märchen und Legenden
von Min Wang