Das Sanatorium soll laut gelben Klebepunkt auf dem Cover „Gänsehaut pur“ sein. Davon ist Reese Witherspoon offenbar überzeugt, denn von ihr soll das Zitat stammen. Dies sahen viele Rezensenten anders und ich war gespannt, wie mir schlussendlich das Debüt von Sarah Pearse gefallen würde.

In meiner Rezension „Das Sanatorium“ von Sarah Pearse wird sich zeigen, ob mir der Thriller das Fürchten lehrte oder ob er ein Reinfall war.

 

Das Sanatorium von Sarah Pearse
© Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur GmbH, München

Infos zum Buch
erschienen beim Goldmann Verlag
Veröffentlicht 15. Februar 2023
Originaltitel The Sanatorium
Übersetzt von Ivana Marinović
ca. 512 Seiten
Band 1 der Reihe Ein Fall für Elin Warner
erhältlich als Taschenbuch, Hörbuch und eBook
 

Klappentext

Der Nr.-1-Bestseller aus Großbritannien: ein atmosphärischer Spannungsroman für alle Leser von Lucy Foley, »Neuschnee«

Halb versteckt im Wald und überragt von dunkel drohenden Gipfeln war Le Sommet schon immer ein unheimlicher Ort. Einst diente es als Sanatorium für Tuberkulosepatienten, dann verfiel es mit den Jahren und wurde schließlich aufgegeben. Nun hat man es zu einem Luxushotel umgebaut, doch seine düstere Vergangenheit ist noch immer spürbar. Als Detective Inspector Elin Warner zur Verlobungsfeier ihres Bruders anreist, beginnt der Albtraum: Erst verschwindet Isaacs Verlobte, dann geschieht ein Mord. Schließlich schneidet auch noch ein Schneesturm das Hotel von der Außenwelt ab, und die Gäste sind mit einem Killer gefangen …

© Klappentext: Goldmann Verlag

Der Prolog kann mich sofort in seinen Bann schlagen. Er ist atmosphärisch, packend und verfügt über ein unheimliches Setting. Genauso starte ich gerne in ein neues Buch und so schnellen meine Erwartungen sofort in die Höhe. Doch Moment mal! War da nicht eben ein Logikfehler? Wird da etwa etwas beschrieben, was physikalisch nicht möglich ist? Ich bin verunsichert, gleichzeitig aber hoch motiviert, immerhin passt der Rest und ich bin sehr neugierig, was mich weiter erwarten wird.

Doch meine Euphorie kühlt so schnell ab, so wie unermüdlich der Schnee in diesem Buch fällt. Sarah Pearse führt neue Figuren ein, der Prolog gerät in Vergessenheit. Stattdessen wird mir eine ehemalige Ermittlerin präsentiert, die sich nicht entscheiden kann, ob sie mutig oder verängstigt sein soll. Elin ist keine überzeugende Figur und schnell werde ich ihrer überdrüssig. Sie hat psychische Probleme, manches scheint aus der Kindheit zu stammen, anderes aus der jüngeren Vergangenheit. Elins Päckchen ist groß und es schränkt sie schrecklich ein. Ihr Freund Will ist mir am Anfang sympathisch, scheint er sich doch gut um Elin zu kümmern. Dann wandelt sich das Blatt, seine nervige, zickige Art wird anstrengend. Erst wettert er gegen Elins Bemühungen zu ermitteln, dann will er plötzlich ihr Sidekick sein.
Generell werden Details zu den Hauptfiguren nur Bröckchen für Bröckchen an mich transportiert. Die Charaktere entwickeln sich einfach nicht weiter, es wirkt vieles schrecklich konstruiert.
Die Handlung dümpelt vor sich hin und ist recht zäh. Hinzukommt, dass ich mir einfach die Beschreibungen der Schauplätze nicht bildlich vorstellen kann. Manche Sätze wirken seltsam konstruiert, von Rechtschreibfehlern mal ganz zu schweigen. Mir geht die Freude an dem Buch verloren.

Sarah Pearse deutet wahnsinnig viel an und redet dann nur um den heißen Brei. Das raubt der Geschichte die Spannung und die Dynamik. Ich ertappe mich dabei, wie ich die Nebenhandlungsstränge wesentlich packender und unterhaltsamer finde. Leider sind sie im „Das Sanatorium“ nur spärlich gesät und reichen nicht aus, um mich aus meinem Lesetief zu holen.
Immerhin, der personale Erzähler führt solide durch die einzelnen Handlungsfäden und sorgt dafür, dass ich verschiedene Personen begleiten darf. Manche sind nur Randfiguren, anderen schaue ich häufiger über die Schulter. Über allem schwebt die Wolke von unausgesprochenen Wahrheiten und ich verliere irgendwann den Überblick. Generell habe ich öfter den Eindruck, dass sich Frau Pearse verzettelt hat, manches ergibt einfach keinen Sinn. Somit ist nicht alles logisch, was mich zunehmend stört.

Generell liegt der Fokus für meinen Geschmack einfach zu viel auf dem persönlichen Drama von Elin. Dadurch kommt die Geschichte mit den spannenden Aspekten, nämlich die düstere Vergangenheit des Sanatoriums, sowie die brutalen Morde einfach zu kurz. Im letzten Drittel des Buches gibt dann Sarah Pearce plötzlich Gas und doch reißt es mich einfach nicht mehr mit. Ich erschließe mir den Täter selbst, sein Motiv kann ich nicht erraten. Ja, es ist überraschend, überzeugt mich aber leider auch nur mäßig. Für mich leider ein Flop und Band 2 wird definitiv nicht bei mir einziehen dürfen.

Das Sanatorium von Sarah Pearse
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Familientragödien eingebettet im eingeschneiten Setting eines ehemaligen Sanatoriums, welches zu einem Luxushotel umgebaut wurde.

Lesen:

Wer Lust auf eine Familientragödie mit bergigem und verschneitem Setting hat, wird hier bestens unterhalten.

Weglegen:

Wer einen rasanten, atemraubenden Thriller erwartet, sollte sich lieber einer anderen Lektüre zu wenden.

Mal ehrlich:

Optisch war „Das Sanatorium“ sehr reizvoll für mich. Verlockend der Klappentext und die Versprechungen auf dem Cover. Der Start in das Buch war super, er war atmosphärisch, unheimlich und versprach Spannung. Dann kam der zu erwartende Knick, klar, die aktuellen Figuren müssen eingeführt und vorgestellt werden. Gleichzeitig musste auch das Setting aufgebaut werden und die Rahmenhandlung. So weit, so fein. Doch aus dem Knick wurde irgendwie eine Talfahrt. Es begann schon damit, dass die Beschreibungen der Umgebung leider keine Bilder in meinem Kopf erzeugten.
Die meiste Zeit drehte es sich um Elin, eine Ex-Polizistin mit einer Reihe an psychischen Problemen, die plötzlich wieder ermitteln kann und muss. Im Vordergrund stand lange ihre eigene Vergangenheit, bunt gemischt in den verschiedenen zeitlichen Reihenfolgen. Ich war verwirrt.
Der Fall selbst baute sich quälend langsam auf und immer, wenn ich dachte, wow, jetzt wird es spannend, zimmerte Frau Pearse wieder irgendein persönliches Drama um Elin dazwischen.
Ich hatte erwartet, mehr über die Vergangenheit des Sanatoriums zu lesen, zu ergründen, weshalb nun wild gemeuchelt wurde und die Angst zu fühlen, wenn Schneemassen verhindern, diesen Ort zu entkommen. Stattdessen plätscherte die Story vor sich hin und ich sehnte die Nebenschauplätze herbei. Die nahmen im Verlauf leider immer weiter ab, sodass ich dann nur noch Elin begleiten konnte. Warm wurde ich mit keiner Figur und bedauerlicherweise entwickelten sie sich so gut wie gar nicht weiter.
Das Ende war nicht sonderlich überraschend, mit meiner Vermutung zum Täter lag ich richtig. Lediglich das Motiv habe ich nicht getroffen, fand ich im Kontext aber leider auch nicht völlig schlüssig und logisch. Aber das ging mir an manchen Stellen so, dass ich das Gefühl hatte, auf Handlungslöcher gestoßen zu sein.

Fazit:

Ein toller Plot, der leider an der Umsetzung verhungert ist. Bei mir konnte sich leider kein Gruselgefühl einstellen und alles, was mich interessiert hätte, wurde leider nur minimal angekratzt. Das Sanatorium kann man lesen, es ist aber auch nicht schlimm, wenn nicht.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

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