Aufmerksam auf dieses Buch bin ich durch die Plattform Lovelybooks geworden. Eine Leserunde wurde dazu ausgeschrieben und weil mich der Klappentext so angezogen hatte, bewarb ich mich um die Teilnahme an dieser.

In meiner Rezension zu „Geiger“ von Gustaf Skördeman beleuchte ich, wie mir der Thriller gefallen hat.


 

Geiger von Gustaf Skördeman
© Umschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München

Infos zum Buch
erschienen bei Lübbe
Veröffentlicht 26. März 2021
Originaltitel Geiger
Übersetzt von Thorsten Alms
ca. 496 Seiten
Band 1 der Reihe Geiger
erhältlich als Broschiert, Hörbuch und eBook
 

Klappentext

Das Festnetz-Telefon klingelt, als sie am Fenster steht und ihren Enkelkindern zum Abschied winkt. Agneta hebt den Hörer ab. „Geiger“, sagt jemand und legt auf. Agneta weiß, was das bedeutet. Sie geht zu dem Versteck, entnimmt eine Waffe mit Schalldämpfer und tritt an ihren Mann heran, der im Wohnzimmer sitzt und Musik hört. Sie setzt den Lauf an seine Schläfe – und drückt ab.

Als Kommissarin Sara Nowak von diesem kaltblütigen Mord hört, ist sie alarmiert. Sie kennt die Familie seit ihrer Kindheit …

© Klappentext: Lübbe

Optisch war dieses Buch ein richtiger Volltreffer. Der gelbe Buchschnitt leuchtet förmlich und er sieht richtig schick aus. Das Cover ist gut gelungen, auch wenn ich im Nachhinein finde, dass es nicht wirklich zur Geschichte passt. Insgesamt fand ich das Buch visuell schon mal top.

Auf diese Geschichte hatte ich richtig Lust. Doch schon der Anfang ließ mich ein bisschen ins Wanken geraten. Es hatte den Eindruck, als hätte der Autor ein Stillleben beschrieben. Dann baute er in diesem Kapitel jedoch Spannung auf und es wurde richtig interessant. Gebannt folgte ich den kommenden Ereignissen und musste bald schon ernüchternd feststellen, dass Gustaf Skördeman eine Vielzahl an Figuren gleich zu Beginn ins Spiel brachte. Dabei blieben sie fast durchgängig blass und stellenweise nebulös. Die Personen vom Bundesnachrichtendienst waren zum Beispiel Randfiguren, die irgendwie im Hintergrund agierten, nur um dann irgendwann mal vielleicht für die Handlungen relevant zu werden. Dieser Handlungsstrang war für meinen Geschmack ziemlich unfertig und warf mehr Fragen auf, als er beantwortete.

Sara Nowak, Protagonistin und Kommissarin bei der Sitte, schrieb sich die Aufklärung des Verbrechens an dem Opfer auf ihre Fahne und stakste selber los, um als einzig fähige Ermittlerin diesen Fall zu lösen. Ursprünglich wurde sie nur zu dem Fall gerufen, weil sie das Opfer und dessen Familie aus ihren Kindertagen persönlich kennt. Doch Sara hatte stets den Eindruck, mit ihren Bemerkungen nicht ernstgenommen zu werden und ermittelte mit erstaunlich viel Freizeit privat weiter.
Sara war mir sehr unsympathisch und ihre ganze Art ging mir auf die Nerven. Gerade weil Sarah für die Sitte arbeitete und dementsprechend viel Leid seitens der Prostituierten gewohnt war, verstand ich nicht, weshalb sie manchmal völlig empathielos wirkte. Besonders ihrer Mutter gegenüber.
Saras Hass auf die Freier war so grenzenlos, vor allem, weil sie das Gefühl hatte, dass das schwedische System nichts zum Schutz der Frauen beiträgt, dass sie diese unterschwellige Aggressivität sogar in ihr Privatleben trug. Ich hatte leider oft das Gefühl, dass Sara sich selbst gern leidtat und ihr beinah schon obsessiver Zwang, diesen Mord aufklären zu wollen, war für mich manchmal echt überzogen. Gustaf Skördeman bemühte sich durch Rückblicke in Saras Vergangenheit darum seinen Lesern verständlich zu machen, warum Sara agierte, wie sie es tat. Doch leider tat er dies mit einer unglaublichen Langatmigkeit, dass ich mich stellenweise fast zu Tode langweilte und ich mehrfach am Überlegen war, das Buch zur Seite zu legen.

Einziger Lichtblick war für mich Agneta, die Frau des Ermordeten. Ihr folgte ich unheimlich gerne. Sie brachte Spannung in das Ganze und ihre Aktionen waren immer unvorhersehbar. Als 70-jährige Frau forderte Agneta Höchstleistungen von ihrem Körper. Bei ihr wusste ich nie wirklich, ob sie Freund oder Feind war, und das war unglaublich spannend. Leider nahmen die Szenen mit ihr im Verlauf des Buches immer weiter ab.

Stattdessen zeigte die Geschichte, was sie wirklich war: ein Politthriller. Hätte ich das von Beginn an gewusst, ich hätte nicht zu diesem Buch gegriffen. Diese politischen Themen waren mehr als angestaubt und teilweise unendlich schwer zu verstehen. Es ging hauptsächlich um die Geschichte der DDR und den Zusammenhang mit Schweden. Selbstverständlich wurde der Kalte Krieg mit seinen Spionagetätigkeiten und seinen sämtlichen politischen Verwicklungen wieder aufgewärmt und zu einer Suppe verkocht, durch die ich mich oftmals quälen musste. Durch die detailfreudigen Erläuterungen bekam die Spannung immer wieder empfindliche Dämpfer.

Das Handlungsgerüst war sehr vielfältig und an vielen Stellen auch total unübersichtlich. Gustaf Skördeman baute wahnsinnig viele Handlungsstränge in „Geiger“ parallel auf und oft hatte ich das Gefühl, dass er zu viele Ideen in diesem Thriller vereinen wollte. Hier wäre für meinen Geschmack weniger tatsächlich mehr gewesen. Insgesamt war das alles für mich weder Fisch noch Fleisch.

Hin und wieder überraschte mich jedoch Gustaf Skördeman indem er Momente einfließen ließ, die völlig unvorhersehbar waren. Da schnellte die Spannung dann richtig hoch, weckte mich aus meinem Dämmerzustand, sodass ich wieder elektrisiert und voll im Buch war. Leider war das im Mittelteil spärlich gesät. Meistens kamen diese Szenen immer dann, wenn ich eigentlich für mich schon beschlossen hatte, das Buch wegzulegen.
Vielleicht lag es auch am Schreibstil des Autors. Oft hatte ich den Eindruck, dass er sich selber noch nicht gefunden hatte. Manchmal da hatten seine Beschreibungen richtig Pfiff, sie waren knackig auf den Punkt gebracht und richtig fesselnd. Dann jedoch ergoss er sich wiederum in quälenden Details und Wiederholungen. Die richtige Mischung war noch nicht da.
Doch dann gab es plötzlich einen spürbaren Ruck. Im letzten Drittel ging plötzlich die Post ab. Die Spannung stieg kontinuierlich an, es wurde richtig fesselnd und es entstand ein packendes Katz-und-Maus-Spiel. Hier war ich mitten im Geschehen und hätte gerne noch mehr davon gelesen. Die Handlungen überschlugen sich und kleine Plot Twists sorgten dafür, dass ich aufmerksam blieb.

Ob ich die Fortsetzung dieser Reihe lesen werde, weiß ich ehrlich gesagt noch nicht. Ich muss zugeben, dass mich das Ende dem Buch gegenüber schon ausgesöhnt hat. Da bewies der Autor ganz klar, dass er sehr wohl in der Lage ist, spannende Szenen zu schreiben. Allerdings habe ich so ein bisschen Sorge, dass es sich im Verlauf wieder verwässern könnte. Die endgültige Entscheidung treffe ich wohl erst, wenn der Nachfolger auf dem Markt ist.

Geiger von Gustaf Skördeman
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Eine extrem politisch angehauchte Geschichte, in der es um alternde Agenten, düstere Familiengeheimnisse und viel geschichtliche Vergangenheit geht.

Lesen:

Wenn ihr Politthriller und den schwedischen Erzählstil mögt, wird euch diese Geschichte gut unterhalten können.

Weglegen:

Wenn ihr einen durchgängig rasanten Thriller lesen möchtet, solltet ihr dieses Buch besser nicht zur Hand nehmen. Hier wird es teilweise sehr politisch und ihr solltet geschichtlich sehr auf Zack sein, um dem ganzen Handlungsrahmen folgen zu können.

Mal ehrlich:

Der Klappentext hatte mich zu einer Erwartungshaltung verleitet, die leider überhaupt nicht in Erfüllung ging. Per se ist das ja schon mal nicht schlecht, doch was mich hier erwartet hat, hätte ich vermutlich nie gelesen, wenn ich es im Vorfeld gewusst hätte.
Denn aus diesem anfänglich wirklich gut aufgebauten und fesselnden Thriller wurde recht schnell eine Geschichte, die mit Vorliebe Vergangenes aufwärmte. Sei es nun die Vergangenheit des Ermordeten, die von der Kommissarin Sara Nowak oder echte geschichtlich politische Themen wie Schweden in ihrem Umgang mit der DDR.
Es war mitunter sehr zähflüssig zu lesen. Vor allem die Ausflüge in Sarahs Lebensgeschichte fand ich oft extrem anstrengend. Eine weitere Qual: Die politischen Themen, welche in Massen in „Geiger“ verarbeitet wurden. Hier musste ich mich extrem konzentrieren, um dem Ganzen überhaupt folgen zu können.
Diese ganze Komplexität sorgte dafür, dass die Spannung immer wieder auf den Nullpunkt sackte. Nur wenn sich die Gegenwart mit der Vergangenheit kreuzte, wurde es richtig packend.
Beim Schreibstil des Autors war ich mir manchmal nicht sicher, ob er eigentlich selber wusste, wohin er möchte. Manchmal waren seine Beschreibungen extrem detailliert und verloren sich oftmals in Nichtigkeiten. Dann wiederum gab es Szenen, wo er alles präzise auf den Punkt brachte und dabei eine Atmosphäre schuf, die richtig fesselnd war. Leider war das für meinen Geschmack zu selten der Fall.
Hier allerdings trat die Regel in Kraft: Das Beste kommt zum Schluss. Das letzte Drittel des Buches war endlich etwas für mich. Hier gab es überraschende Wendungen und richtig viel Dramatik. Das Ende habe ich so nicht kommen sehen und es hatte mich sprachlos vor Erstaunen zurückgelassen.

Fazit:

Ein Thriller, der mich leider nicht gänzlich überzeugen konnte. Recht stark am Anfang flachte er erschreckend schnell ab und raubte sich durch politische Themen immer wieder selbst die Spannung. Zum Ende hin gewann das Ganze noch mal richtig an Fahrt und wurde zu einem fesselnden Leseerlebnis.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

Lust auf psychologisch ausgeklügelte Thriller?
Dann empfehle ich euch:
Asklepios von Charlotte Charonne