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Von Romy Hausmann habe ich bislang alle Thriller gelesen. Nun gibt es wieder Lesenachschub und ich war sehr gespannt auf das Buch. Schon der Titel wirkt ungewöhnlich und ich habe mich gefragt, wie er mit dem Vermisstenfall zusammenhängen wird.

In meiner Rezension „Himmelerdenblau“ von Romy Hausmann versuche ich euch dieses komplexe Buch näherzubringen und euch an meinen Leseeindrücken teilhaben zu lassen.

Leseexemplar
❧ Dieses Buch habe ich als Freiexemplar von Lovelybooks erhalten
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst

 

Himmelerdenblau von Romy Hausmann
© Cover: Umschlaggestaltung www.buerosued.de

Infos zum Buch
erschienen bei Penguin Verlag
Veröffentlicht 27. August 2025
ca. 464 Seiten
erhältlich als Paperback, Hörbuch und EBook
 

Klappentext

Ein gnadenloser Thriller über das Verschwinden eines Kindes. Die Angst vor dem Erinnern. Über zerstörte Leben und die Abgründe von „True Crime“. Endlich: Der neue Thriller von Romy Hausmann.

»Der Teufel hatte gewonnen. Seine Macht war grenzenlos. Meinen Körper würde er am Leben halten, gerade so. Wie eine Trophäe. Doch als ich zu mir kam, fand ich mich plötzlich wieder am Ufer des Sees …« Seit dem 7. September 2003 ist Julie Novak verschwunden. Die Familie ist daran zerbrochen. Nur ihr Vater Theo hört nicht auf, nach ihr zu suchen. Als sich Julies Verschwinden zum zwanzigsten Mal jährt, nimmt die Podcasterin Liv Kontakt zu Theo auf. Sie sei auf eine neue Spur gestoßen. Doch wenn er die Wahrheit erfahren will, muss er sich beeilen, bevor seine fortschreitende Demenz alles mit Dunkelheit überzieht. Wer zum Teufel hat ihm seine Tochter genommen? Warum hat Julies Ex-Freund Daniel das Schlafzimmer seiner verstorbenen Mutter so sorgfältig verschlossen? Und gibt es etwas Grausameres als die Ungewissheit über das Schicksal des eigenen Kindes?

© Klappentext: Penguin Verlag

Beinah beiläufig beginnt Himmelerdenblau und ich frage mich, was die Anekdote um Fische, die sich an ihre Umgebung angepasst haben, um überleben zu können, mit dieser Geschichte zu tun haben wird. Meine Gedanken jagen davon und ich ertappe mich schon jetzt beim Spekulieren. Wie falsch ich dabei liege, wird sich erst am Ende enthüllen.

Theo Novak ist der erste Charakter, den ich richtig kennenlerne. Er ist 74 Jahre alt und einst ein erfolgreicher Herzchirurg. Als Ich-Erzähler nimmt er mich mit in seine Welt aus Vergangenheit und Gegenwart. Gleichzeitig teilt er seine Angst mit mir seine Tochter Julie zu vergessen. Diese ist nicht unbegründet, denn Theo ist an Demenz erkrankt und bevor er in dem großen Vergessen versinkt, möchte er erfahren, was damals mit seiner Tochter geschah, als sie vor zwanzig Jahren plötzlich spurlos verschwand.
Theos zerrissene Gedanken schwappen auf mich über. Seine Erzählweise ruckelt beim Lesen, falsche Wörter purzeln durch die Sätze, während Theo manchmal mit der Erinnerung und der Realität gleichzeitig kämpft. Ich muss mich konzentrieren, um ihm folgen zu können und empfinde Mitgefühl für ihn. Theo, der früher so angesehen war, ist nun unfreiwillig auf die Hilfe seiner Tochter Sophia angewiesen. Doch sein Ziel, die Wahrheit über Julies Verschwinden aufzuklären, ist stark. Er wächst mir immer mehr ans Herz und Romy Hausmann gelingt es auf eine besondere Weise, mich an den Emotionen und Handlungen eines Demenzpatienten teilhaben zu lassen. Ein Blickwinkel, der mich tief trifft.

Dann wechselt Romy Hausmann in die True-Crime-Welt. Die Podcast-Hosts Liv und Phil von „Two Crime“ erzählen die Geschichte der Familie Novak als True-Crime-Fall. Die Dialoge sind knackig und authentisch sowie mit reichlich sensationslüsternen Fragen und Spekulationen gewürzt. So erfahre ich mehr Details über Julies Leben und ihr Verschwinden, gleichzeitig baut sich dadurch auch Spannung auf.
Doch hinter den Kulissen herrscht sie auch. Liv und Phil sind ein Paar, aber kein besonders glückliches. Der personale Erzähler beleuchtet Livs Handeln und ihre Arbeit an diesem verzwickten True Crime Fall. Am Anfang sind mir beide nicht sympathisch, doch im Verlauf lerne ich Liv besser kennen. Das Päckchen, was sie zu tragen hat, ist schwer und je mehr ich über sie erfahre, umso näher komme ich ihr. Phil hingegen finde ich immer schrecklicher, je weiter die Handlung voranschreitet.
Interessant finde ich, wie Romy Hausmann anhand der beiden Charaktere toxische Beziehungsmuster ausarbeitet und genauso schonungslos aufzeigt, wie die Gier nach möglichst vielen Klicks die moralischen Grenzen beinah bedenkenlos überschreiten lässt. Besonders schätze ich ihre Kritik daran, denn für die einen ist es nur ein spannender und mysteriöser Fall, doch für die Familie, Freunde und Wegbegleiter eine Tragödie, die sie stetig begleitet.

Dafür steht sinnbildlich Daniel. Er ist eng verwoben mit dem Fall. Denn Julie war seine Ex-Freundin und gerät immer wieder ins Visier der Hobby-Kriminalisten. Er erzählt selbst, wie sich diese Anschuldigungen anfühlen. Er prangert die oberflächliche und reißerische Art der True-Crime-Berichterstattung an. Gleichzeitig ist mir lange nicht klar, welche Rolle er in dem ganzen Konstrukt spielt. Daniel bleibt mir immer ein bisschen suspekt und seine getriebene Art schreckt mich ab.

Julie Novak steht im Zentrum dieses dunklen Geheimnisses. Doch ihre physische Abwesenheit, der True-Crime-Podcast und die Erinnerung der Menschen, die sie lieben, ziehen mich wie ein Sog in einen Strudel aus ungeklärten Fragen. Ich möchte unbedingt wissen, was passiert ist. Dabei stolpere ich durch ein Labyrinth aus Erinnerungsfetzen, Familiengeheimnissen und medialer Sensationslust.
Ich ahne Zusammenhänge, die sich jedoch immer auflösen, wenn überraschende Wendungen in eine ganz andere Richtung zeigen.

Himmelerdenblau ist ein psychologischer Thriller, in dem Erinnerungen und Vergessen, Wahrheit und Lüge zu einem undurchdringlichen Geflecht aus zwischenmenschlichen Tragödien verschmilzt.
Der Aufbau ist durch die vielen Handlungsfäden sehr komplex. Jeder davon erzeugt eine ganz andere Spannung und doch fühle ich bei allen stets Beklemmung aus unterschiedlichen Gründen. Ich mag das Buch nicht weglegen, weil jede Seite neue Fragen aufwirft und die Suche nach Julies Schicksal zur Sucht wird.
Jede Figur erhält in Himmelerdenblau seine eigene Stimme, sein eigenes Charakterprofil. Wie oft greife ich nach der Lösung und am Ende doch ins Leere.
Die Aufklärung des Falles bricht über mich herein, schleicht sich mit leisen Sohlen an und lässt mich fassungslos dabei zusehen, wie alle Puzzleteile an ihren Platz fallen. Jeder noch so kleine Faden findet in Himmelerdenblau sein Ende und auch der Titel macht nachdem Lesen Sinn.

Himmererdenblau
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Ein ruhiger psychologischer Thriller, der mit Kontrasten spielt und aufzeigt, wie zerbrechlich die Wahrheit und wie stark die Lüge sein kann.

Lesen:

Wenn ihr auf der Suche nach einem Thriller seid, der psychologischen Tiefgang hat und sich kritisch mit der True-Crime-Sensationslust auseinandersetzt.

Weglegen:

Wenn ihr auf der Suche nach einem adrenalinpeitschenden Thriller mit viel Action seid. Das kann Himmelerdenblau nicht bieten.

Mal ehrlich:

Himmelerdenblau ist ein Thriller, der sich äußerst sensibel und psychologisch vielfältig mit Beziehungen, Selbstverleugnung und den moralischen Grauzonen zwischen Aufklärung und Sensationsgier beschäftigt.
Der Titel wirkt auf mich zuerst fremdartig, doch im Verlauf gewinnt er an Bedeutung. Durch die unterschiedlichen Perspektiven und vielfältigen Erzählweisen bekommt dieser Thriller eine ausgesprochen komplexe Tiefe.
Besonders berührt mich der demenzkranke Theo. Romy Hausmann schafft es, die fragile Psyche eines alten Menschen lebensecht zu schildern, ohne in Klischees abzudriften oder es lächerlich wirken zu lassen. Theo geht mir unter die Haut, ich fühle mit ihm und will mit ihm zusammen die Wahrheit um das Verschwinden seiner geliebten Tochter Julie herausfinden.
Alle Figuren sind authentisch dargestellt und ihre inneren Konflikte perfekt durchdacht.
Die Sprache und der Erzählstil sind sorgfältig auf die Charaktere abgestimmt, was für eine Atmosphäre der Beklommenheit sorgt, die mich auf mehreren Ebenen berührt.
Besonders die kritische Reflexion über die Medienkultur beim Thema True-Crime gefällt mir ausgesprochen gut. Hier zeigt sich völlig ungeschönt, welche Konsequenzen dies für die Menschen hat, die direkt oder indirekt mit dem Opfer in Verbindung stehen.
Himmelerdenblau ist kein lauter und knalliger Thriller. Es werden die Grenzen zwischen Recherchearbeit und Voyeurismus, zwischen Wahrheitssuche und Selbstzerstörung bewusst verwischt. Die Spannung ist unterschwellig und bedrohlich spürbar. Sie ist beinahe wie eine leise, aber eindringliche Hintergrundmusik. Nie ist sie weg und fängt immer die passende Atmosphäre ein.
Stück für Stück komme ich der Wahrheit näher, immer mehr Fäden ergeben ein Gesamtbild, das ich zu keinem Zeitpunkt habe vorhersehen können. Dieser Thriller geht mir unter die Haut und hallt noch immer in mir nach.

Fazit:

Himmelerdenblau führt eindrucksvoll in die fragilen Winkel der menschlichen Seele und setzt sich kritisch mit medialer Berichterstattung auseinander. Vielstimmig wird eine beklemmende Geschichte brillant erzählt. Ein leiser Thriller, der unter die Haut kriecht und auf subtile Weise Schrecken auslöst.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

Lust auf einen Psychothriller, der in die finsteren Winkel der menschlichen Seele hinabführt?
Dann empfehle ich euch:
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