Nach Rachesommer haben meine Buddy-Read-Partnerin Maggie und ich gleich zum nächsten Teil der Walter-Pulaski-Reihe gegriffen. Obwohl ich das Buch schon vor Jahren mal gelesen hatte, war mir erschreckend wenig in Erinnerung geblieben.

In meiner Rezension „Racheherbst“ von Andreas Gruber ermittle ich, ob sich das erneute Lesen gelohnt hat


 

Racheherbst von Andreas Gruber
© Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München

Infos zum Buch
erschienen beim Goldmann Verlag
Veröffentlicht 17. September 2018
ca. 528 Seiten
Band 2 der Walter-Pulaski-Reihe
erhältlich als Taschenbuch, Hörbuch und eBook
 

Klappentext

Unter einer Leipziger Brücke wird die verstümmelte Leiche einer jungen Frau angespült. Walter Pulaski, zynischer Ermittler bei der Polizei, merkt schnell, dass der Mord an der Prostituierten Natalie bei seinen Kollegen nicht die höchste Priorität genießt. Er recherchiert auf eigene Faust – an seiner Seite Natalies Mutter Mikaela, die um jeden Preis den Tod ihrer Tochter rächen will. Gemeinsam stoßen sie auf die blutige Fährte eines Serienmörders, die sich über Prag und Passau bis nach Wien zieht. Dort hat die junge Anwältin Evelyn Meyers gerade ihren ersten eigenen Fall als Strafverteidigerin übernommen. Es geht um einen brutalen Frauenmord – und eine fatale Fehleinschätzung lässt Evelyn um ein Haar selbst zum nächsten Opfer werden …

© Klappentext: Goldmann Verlag

„Racheherbst“ ist der zweite Teil der Reihe um den Kriminaldauerdienstermittler Walter Pulaski und der Wiener Rechtsanwältin Evelyn Meyers. Die Ereignisse aus diesem Band sind völlig autark lesbar. Mir hat aber besonders gut gefallen, dass Andreas Gruber ein paar persönlich offene Fragen, die mir nach dem Lesen des ersten Bandes im Kopf umhergeisterten, aufgriff und beantwortete. Es gibt aber durchaus auch Details, die sehr aufmerksamen Lesern elementare Punkte aus „Rachesommer“ spoilern könnten, weshalb ich empfehle, mit Band eins zu beginnen. Außerdem ist dann auch die Figurenentwicklung viel intensiver spürbar.

Der Einstieg in „Racheherbst“ ist typisch Gruber. Sofort spannungsvoll, es passiert am Anfang unheimlich viel und ich werde sofort mitten in den Plot gezogen. Das Handlungsgerüst ist packend aufgebaut, denn während im Mittelpunkt die mörderischen Taten eines völlig durchgeknallten Typs stehen, spinnt Andreas Gruber viele verschiedene Perspektiven und Handlungsansätze drumherum. Dies erschafft ein so umfassendes Bild für mich, dass ich sprichwörtlich den Wald vor lauter Bäumen nicht sehe. Es ist mir nur klar, dass alles miteinander zusammenhängen muss, aber nicht wie. Dabei gerate ich immer tiefer in diesen ausgeklügelten Thriller, der viele Actionelemente bereithält.

An Spannung mangelt es „Racheherbst“ nicht genauso wenig wie an verschiedensten Charakteren, die alle authentisch und teilweise unheimlich berechnend wirken.
Geschickt präsentiert Andreas Gruber Verdächtige, den ich abwechselnd misstraue und sie manchmal auch als Täter wieder ausschließe. Es ist auch nicht hilfreich, dass mich der personale Erzähler neben den Erlebnissen die Pulaski, Evelyn und Mikaela, die Mutter einer ermordeten jungen Frau, auch an denen vom Mörder teilhaben lässt. Ich muss mich einfach vom reißenden Erzählstrom Andreas Grubers tragen lassen, um an den fulminanten Showdown zu erlangen, ohne wirklich komplett zu durchschauen, wie alles miteinander zusammenhängt.

Mich hat „Racheherbst“ voll in seinen Bann ziehen können, aber ich fand es schade, dass Andreas Gruber eine Figur zu einem Hauptcharakter ausgeformt hat, wo ich doch lieber mehr von Evelyn gelesen hätte. Neben Mikaela wurde Evelyn beinahe zu einer Randfigur degradiert, was mich traurig stimmte. Auch fehlte mir die konspirierende Zusammenarbeit von Evelyn und Pulaski. Stattdessen wurde Pulaskis Sidekick Mikaela, die ich im Verlauf der Ereignisse immer unsympathischer fand. Herrje, ich hätte die Frau am liebsten geschüttelt. Sie war der weibliche John McClane. Das glitt manchmal ins Unglaubwürdige ab, allerdings bekam Andreas Gruber immer fix die Kurve.

Der Showdown von „Racheherbst“ war super. Die Plottwists überschlugen sich, ich hing nur noch atemlos über den Ereignissen. Obwohl Andreas Gruber sich alle Mühe gab, alle Fäden sinnvoll im Kontext aufzulösen, so war mir der Schluss persönlich zu schnell abgefertigt. Ein sanfteres Ausblenden mit ein paar mehr Details hätte ich mir gewünscht.
Und dennoch, dieser Thriller bringt alles mit, um bestens zu unterhalten und die Perfidität des Bösen zu unterstreichen.

Racheherbst von Andreas Gruber
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Ein Thriller, der viele Fäden spinnt, was die Spannung immens steigert und raffiniert auf den Showdown zu steuert, dass einem beim Lesen die Spucke wegbleibt.

Lesen:

Wenn ihr Lust auf einen Thriller habt, der nicht nur mit einem internationalen Serientäter aufwarten kann, sondern verschiedenste Möglichkeiten ausschöpft, um die Wahrheit aufzudecken.

Weglegen:

Ihr mögt es lieber ruhig und beschaulich? Dann wird euch dieser Thriller den Schlaf rauben und ihr solltet ihn besser nicht lesen.

Mal ehrlich:

Racheherbst liest sich wie ein Action-Blog-Buster á la „Stirb langsam“. Nur das der Held kein Cop, sondern eine Mutter ist, die verzweifelt versucht herauszufinden, wer der Mörder ihrer Tochter ist und den Verbleib ihrer zweiten Tochter aufklären will. Aber ehrlicherweise möchte das lieber Walter Pulsaski, seines Zeichens Ermittler beim Kriminaldauerdienst in Leipzig herausfinden. Eine explosive Mischung, denn während Mikaela mit ihrer unorthodoxen Vorgehensweise mich in den Wahnsinn trieb, musste Pulaski die Scherben hinter ihr auffegen.
Mitten in dem tödlichen Reigen aus Morden, die viele Rätsel aufwerfen, tanzt auch Evelyn Meyers einen gefährlichen Tanz um die Wahrheit, die ihr neuster Mandant nur zu gern nach seinen Spielregeln biegt. Doch warum und weshalb alle Ereignisse zu einem brodelnden Gemisch zusammen zulaufen drohen, blieb mir lange völlig schleierhaft.
Ja, Racheherbst ist manchmal eine Spur zu drüber, aber die Charaktere habe alle Tiefgang und bereichern diesen ausgeklügelten Thriller. Nur schade, dass Evelyn ein wenig ins Abseits geriet und ihr die Show von Mikaela gemopst wurde. Auch den Schluss von „Racheherbst“ war für meinen Geschmack ein bisschen zu flott abgehandelt. Gerade nachdem feurigen Showdown hätte ich mir einen umfassenderen Ausklang gewünscht.

Fazit:

Ein verschachtelter Thriller, der mit mehreren Blickwinkeln auf ein Ereignis aufwarten kann, was die Spannung in die Höhe schraubt und beim Lesen zum Rätsel knacken einlädt.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

Lust auf einen Thriller, der völlig anders als erwartet und intensiv ist?
Dann empfehle ich euch:
Vogelgrab von Anne Frasier