Als Buchliebhaberin komme ich nur schwer an Büchern vorbei, in denen es genau darum geht: Um Bücher, die von sich selbst erzählen und ihrer fantastischen Macht auf ihre Leser. Daher war für mich ganz klar, dass dieses Buch bei mir würde einziehen müssen.
In meiner Rezension „Der Buchspazierer“ von Carsten Henn könnt ihr lesen, wie mir dieses Buch gefallen hat.
© Umschlaggestaltung: U1 Berlin | Patrizia Di Stefano
erschienen bei Pendo; 24. Edition
Veröffentlicht 2. November 2020
ca. 224 Seiten
erhältlich als gebundenes Buch, Hörbuch und eBook
Klappentext
Es sind besondere Kunden, denen der Buchhändler Carl Christian Kollhoff ihre bestellten Bücher nach Hause bringt, abends nach Geschäftsschluss, auf seinem Spaziergang durch die pittoresken Gassen der Stadt. Denn diese Menschen sind für ihn fast wie Freunde, und er ist ihre wichtigste Verbindung zur Welt. Als Kollhoff überraschend seine Anstellung verliert, bedarf es der Macht der Bücher und eines neunjährigen Mädchens, damit sie alle, auch Kollhoff selbst, den Mut finden, aufeinander zuzugehen …
»Ein Buch zum Einkuscheln, ein Buch das wärmt und Zuversicht spendet. Genau das Richtige für alle, die wissen, wie wichtig ein gutes Buch sein kann.« BRIGITTE
© Klappentext: Pendo; 24. Edition
Als ich „Der Buchspazierer“ im Buchladen im Regal stehen sah, war ich ganz verzaubert von dem gebundenen Werk und seinem Cover. Ich mochte es auf Anhieb. Nachdem lesen muss ich sagen, dass die beiden Figuren, die auf dem Cover abgebildet waren, nicht denen entsprachen, die ich beim Lesen vor Augen hatte. Aber das macht mir nichts, denn noch immer bin ich vom Buchkleid ganz angetan.
Nicht so angetan war ich am Anfang von der Geschichte selbst. Herr Henn schrieb mir viel zu ausschweifend und sein detailverliebter Szenenaufbau ließ mich mit den Augen rollen. Hinzukam, dass ich den Eindruck hatte, in einer Dauerwerbesendung eines Teleshoppingkanals über Bücher festzustecken. Abgerundet wurde das Ganze von einem alleswissenden Erzähler, der es liebte, ständig Perspektivwechsel zu vollführen, ohne dass ich es habe kommen sehen. Das störte mich schon ein wenig, weil dieses Hin und Her Gehüpfe zwischen den Figuren Verwirrung bei mir schürte. So glaubte ich manchmal einem Logikfehler auf der Spur zu sein, der aber gar keiner war.
„Das kann ja heiter werden“, dachte ich mir so und hatte Angst vor den nächsten Seiten mit ihrem schwülstigen und teilweise antiquierten Schreibstil.
Doch zum Glück entpuppte sich „Der Buchspazierer“ als eine ganz zauberhafte Geschichte. Ja, es war jetzt sicherlich keine sehr anspruchsvolle und tiefgründige Lektüre, aber sie war so voller Wärme und Liebe für das geschriebene Wort.
Das Lesen der Geschichte glich einem gemütlichen Spaziergang durch die Gassen eines beschaulichen Städtchens in Begleitung des charmanten Buchhändlers Carl Kollhoff. Auf seiner täglichen Buchauslieferungsroute lernte ich seine Kundschaft aber auch ihn näher kennen, erfuhr von ihren Leben, Ängsten und Sorgen. Mittendrin in dieses so festgefahrene Leben von Carl platzt ein quirliges neunjähriges Mädchen mit Namen Schascha, die ordentlich Schwung in die Geschichte brachte.
Carsten Henn spielte in „Der Buchspazierer“ gern mit deutlichen Gegensätzen. Während Carl trotz seines stattlichen Alters von 72 Jahren eher naiv und in seinem Verhalten kindlich schüchtern wirkte, hatte Schascha mit ihren 9 Jahren schon eine ziemlich altkluge Art und die Gabe, hinter die Fassaden der Mitmenschen zu blicken. Ihre aufgeweckte Art war aber durchaus erfrischend und so stand Schascha sinnbildlich dafür, alte Strukturen aufzubrechen und diese für Schönes und Neues zu öffnen.
„Der Buchspazierer“ lebte von seinen unterschiedlichen Charakteren. Jeder hatte sein persönliches Päckchen zu tragen, sie alle versteckten sich hinter Alltagsmasken. Das machte diese Geschichte zu einer gemütlich kuscheligen und ganz märchenhaften Erzählung, in der nicht nur viele wundervolle Werke namentlich Einzug hielten, sondern auch die Magie von Büchern eingefangen wurde.
Fast jeder Charakter in dieser Geschichte machte eine Entwicklung seiner selbst durch. Auch wenn sich hier das Buch nicht selbst zu ernst nahm und sich manches schon sehr einfach in eine neue Richtung und günstigen Lösungsansätzen wendete, so blieb doch der Zauber bestehen.
Das Finale berührte mein Herz und ich kam nicht umhin, ein paar Tränchen zu verdrücken. Ja, für den ein oder anderen mag es ein wenig zu viel Kitsch bereithalten, aber ich fand die Dosierung genau richtig.
Das Ende gefiel mir genauso, wie es geschrieben wurde, für mich hätte da gern noch stehen dürften: „Und wenn sie nicht gestorben sind, so liefern sie noch heute auf einem schönen Spaziergang Bücher aus“.
© Foto: Monique Meier
Kurz gesagt:
Was dich erwartet:
Ein modernes Märchen über den Zauber und die Macht von geschriebenen Geschichten.
Lesen:
Wer Bücher liebt, sollte sich dieses Buch nicht entgehen lassen. Eine kleine Hommage an das geschriebene Wort.
Weglegen:
Das Buch kommt nicht ohne Rührseligkeiten und dem ein oder anderen Klischee aus. Wer das nicht mag, sollte sich lieber anderen Geschichten widmen.
Mal ehrlich:
Zu Beginn war „Der Buchspazierer“ gar nicht meins. Das hatte schon den Charme einer Dauerwerbesendung rund um literarische Werke, dazu gesellte sich eine ausschweifender Erzählstil, den ich zum Fürchten fand. Teilweise klebten schwülstige Beschreibungen wie Honig an den Seiten.
Ich befürchtete echt das Schlimmste, dabei gefiel mir doch die Vorstellung von einer Hommage an das Lesen und die Bücher.
Aber ähnlich wie bei den Figuren alte Strukturen und teilweise jahrzehntelange Routinen aufgebrochen und durch Neues, Wundervolles ersetzt wurde, so nahm dieses Buch eine schöne Wendung für mich. Plötzlich war ich gern an der Seite vom 72-jährigen Carl, der als Buchspazierer seinen Kunden täglich ihre bestellten Bücher bringt. Ich mochte auch die romantische Leichtigkeit, die diese Erzählung durchzog. Dank des allwissenden Erzählers durfte ich hinter die Fassaden aller Figuren schauen, was dem Buch eine leichte Tiefe und Charakter verlieh. Ja, manches war schon ein bisschen drüber, sodass die Authentizität etwas darunter litt, aber hey, märchenhafte Geschichten mochte ich schon immer.
Und „Der Buchspazierer“ ist so ein Buch. Eins, in dem es Gut und Böse gibt, in denen kleine Mädchen so viel weiser als alte Männer sind und wo unglückliche Menschen durch die Kraft der Bücher sich einander zu wenden können.
Ach, ich mochte dieses Buch, weil es einfach zauberhaft romantisch war und die Liebe zum Buch in jeder Seite zu finden war.
Fazit:
Eine Geschichte, die durch ihre Rührseligkeit Liebe, Wärme und Geborgenheit schenkt, aber auch nicht auf eine gute Portion Drama verzichtet. Ein tolles Buch für alle, die Bücher lieben und es gemütlich mögen.
*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*
Lesetipp:
Das Buch habe ich gemeinsam im Buddy-Read mit meiner Freundin Rabiata gelesen.
Ich empfehle euch ihren Beitrag:
Buddy-Read: Der Buchspazierer
Es geht doch nichts über geschriebene Geschichten! Sie sind soviel mehr als nur Buchstaben auf Papier, sie regen die Fantasie an und lassen komplette Welten in unserem Kopf zum Leben erwachen! Das liebe ich am Lesen! Schön, dass sich das Buch nach dem stolperigen Anfang noch in deine Richtung entwickelt hatte! Das Cover finde ich auch ansprechend, aber momentan habe ich leider noch soviel zum Lesen hier 🙂
Liebe Grüße
Jana
Liebe Jana,
das mit dem zu viel zu lesen kenne ich 😉
Aber ich kann dich beruhigen, Bücher haben kein Verfallsdatum, vielleicht ist es ja für später etwas für dich 😀
Liebe Grüße
Mo
Witzig, das Buch hätte ich um ein Haar meiner Mutter zum Geburtstag geschenkt, mich dann aber doch für ein anderes entschieden. Hätte ich doch mal vorher deine Rezension gelesen… aber der nächste Anlass kommt bestimmt!
Liebe Karin,
oh, warum hast du dich gegen das Buch entscheiden? Aber du hast recht, Gelegenheit um ein Buch zu verschenken finden sich immer :).
Liebe Grüße
Mo