Die Mischung aus Klappentext und Cover hatte mich in einer Infomail total angesprochen. Auf einer meiner Lieblingsbuchseiten wurde zudem das Buch verlost und ich wollte meine Chance nutzen. Das Glück war mir hold und so las ich das Buch mit anderen Buchbegeisterten in einer Leserunde.

In meiner Rezension „Der Uhrmacher in der Filigree Street“ von Natasha Pulley beleuchte ich, was mir an der Geschichte gefallen hat und welche Kritikpunkte es gab.

 

Der Uhrmacher in der Filigree Street von Natasha Pulley
© Cover: Birgit Gitschier, Augsburg

Infos zum Buch
erschienen bei Klett-Cotta
Veröffentlicht 18. September 2021
Originaltitel The Watchmaker of Filigree Street
Übersetzt von Jochen Schwarzer
ca. 448 Seiten
Band 1 der Reihe
Der Uhrmacher in der Filigree Street

erhältlich als Taschenbuch, Hörbuch und eBook
 

Klappentext

Sein Leben lief ab gleich einem Uhrwerk. Bis er dem Uhrmacher begegnete.

»Der Uhrmacher in der Filigree Street« erzählt eine mitreißende, phantastische Geschichte um eine rätselhafte Uhr und einen ebenso spektakulären wie unmöglich aufzuklärenden Bombenanschlag auf Scotland Yard. Das Buch nimmt die Lesenden mit auf eine Reise durch das viktorianische England und das Japan des 19. Jahrhunderts und es eröffnet Türen in eine ganz andere, seltsame und magische Vergangenheit.

London, Oktober 1883. Eines Abends kehrt Thaniel Steepleton, ein einfacher Angestellter im Innenministerium, in seine winzige Londoner Mietwohnung heim. Da findet er auf seinem Kopfkissen eine goldene Taschenuhr. Es ist ihm ein Rätsel, was es mit ihr auf sich hat. Sechs Monate später explodiert im Gebäude von Scotland Yard eine Bombe. Steepleton wurde gerade rechtzeitig gewarnt, weil seine Uhr ein Alarmsignal gab. Nun macht er sich auf die Suche nach dem Uhrmacher und findet Keita Mori, einen freundlichen, aber einsamen Mann aus Japan. So harmlos Mori auch scheint, eine Kette von unheimlichen Ereignissen deutet schon bald darauf hin, dass er etwas zu verbergen hat…

© Klappentext: Klett-Cotta

Manchmal sind die originalen Cover einfach viel schöner, als die für den deutschen Markt erschaffenen. So ging es mir auch mit diesem hier. Ich mag es nicht besonders gern, wenn Loblieder schon auf dem Einband „gesungen“ werden. Also die Schlagwörter wie „Betörend“ – Guardian gehören für mich nicht auf ein Cover. Ich möchte selber entscheiden, wie ich das Buch empfinde. Zudem schraubt es meine Erwartungen an ein Buch unbewusst in die Höhe und das ist mir hier leider auch passiert.
Ich hätte es schöner gefunden, wenn der Verlag noch dichter am Original geblieben wäre, denn im Grunde war das Cover stimmig zum Inhalt der Geschichte.

Der Einstieg in „Der Uhrmacher in der Filigree Street“ war kein leichter und es fiel mir extrem schwer, in der Geschichte anzukommen. Es begann sehr ruhig und ausführlich. Natasha Pulley nahm sich viel Zeit, das viktorianische Zeitalter anhand damals üblicher Alltagsabläufe und Jobs darzustellen. Als leuchtendes Paradebeispiel diente Nathaniel Steepleton, der als Telegrafist im Innenministerium arbeitete. Er selbst nennt sich Thaniel, was mich zu Beginn schon stolpern ließ, weil ich glaubte, einen Druckfehler entdeckt zu haben. Aber nein, erst viele Kapitel später klärte sich auf, warum er lieber Thaniel hieß.
Ansonsten besaß Thaniel ein extremes Pflichtbewusstsein mit tadellosen Umgangsformen, was ihn lange Zeit steif wirken ließ. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass er ein herzensguter Mensch, der nicht nur seine verwitwete Schwester finanziell unterstützte, sondern auch vorurteilsfrei gegenüber seinen Mitmenschen war. Zudem konnte Thaniel Töne sehen, weil sie sich ihm farbig darstellten.
Das komplette Gegenstück zu Thaniel war Grace Carrow, die gern gesellschaftliche Regeln umging und statt eine Dame von Stand zu sein, lieber im Labor den Äther erforschte. Durch ihren unbändigen Charakter war sie mir von Beginn an sympathisch, leider erlosch das irgendwann, und ich empfand Grace einfach nur noch als eine sehr schreckliche Person, der ich viel Abneigung entgegenbrachte.
Zu Thaniel hingegen bekam ich nie einen wirklichen Draht, er berührte mich emotional nur minimal, aber ich mag ihm zu Gute halten, dass er der einzige Charakter in diesem Buch gewesen ist, der sich wirklich schlüssig weiterentwickelt hatte.

Doch zum Glück gab es noch zwei Figuren in „Der Uhrmacher in der Filigree Street“, die mich begeistern konnten. Nämlich Mori, der Uhrmacher aus der Filigree Street, und sein mechanischer Oktopus Katsu. Die beiden waren so goldig, der eine sogar im Wortsinn und erfreuten mich.
Mori glänzte durch seine freundliche japanische Zurückhaltung, die jedoch gut gespickt mit Humor und einem großen mysteriösen Touch versehen war. Am meisten faszinierten mich seine Talente als Uhrmacher, denn ihm gelang es seinen Meisterwerken förmlich Leben einzuhauchen.

Der Spannungsaufbau zog nur quälend langsam an und ich stellte mir dauernd die Frage, wann es denn nun endlich richtig losgehen würde in „Der Uhrmacher in der Filigree Street“. Am Anfang fand ich es ja ganz nett, dass ich Ruhe und Zeit bekam, die Charaktere näher kennenzulernen, auch wenn sich manche Entwicklungen als sehr vorhersehbar entpuppten. Aber irgendwann fing der distanzierte Schreibstil an, mich zu nerven. Als dann endlich das auf dem Klappentext angekündigte Ereignis eintrat, wurde es kaum detailliert dargestellt und recht früh abgefrühstückt. Die Jagd und Ermittlung nach dem Bombenbauer rutschte zu tief in die Versenkung, dass ich mich fragte, wo genau jetzt der sagenumwobene Krimianteil lauerte.
Aber auch den Fantasyanteil suchte ich schon ein bisschen verzweifelt. Ja, hier und da war es ein wenig magisch und auch minimal unerklärlich, aber so richtig tief in eine Fantasy Welt tauchte ich hier nun wirklich nicht ab.
Das Einzige, dass wirklich gut in „Der Uhrmacher in der Filigree Street“ zur Geltung kam, waren die historischen Schauplätze. Egal ob viktorianisches England oder kaiserliches Japan, die intensive Recherche von Natasha Pulley war in jedem Winkel spürbar. Besonders die japanischen Schauplätze und die Handlungsstränge mit Mori habe ich geliebt. Den Rest leider nicht.

Ziemlich spät erkannte ich, dass sich es sich in diesem Buch alles hauptsächlich nur um Nathaniel drehte. Dadurch plätscherte die Story so vor sich hin, weil der Eindruck bei mir entstand, dass Natasha Pulley viel erzählen wollte, aber nie so wirklich auf den Punkt kam. Zudem blieb alles so wahnsinnig emotionsarm, was wohl auch an der Erzählperspektive lag. Der auktoriale Erzähler wirkte stellenweise seltsam distanziert und ich konnte selten den Gefühlen der Figuren wirklich nachspüren. Schade.

Irgendwann kam ich an den Punkt, an dem ich mir wünschte, das Buch möge enden. Zum Glück wurde es im letzten Viertel tatsächlich noch einmal so richtig spannend, sodass mich zumindest das Ende, auch wenn es schon leicht kitschig war, ein bisschen aussöhnen konnte.

Der Uhrmacher in der Filigree Street von Natasha Pulley
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Der eintönige Alltag von Thaniel wird nach dem Fund einer Taschenuhr gehörig durchgewirbelt. Plötzlich lernt er Menschen kennen, die sein Leben in völlig andere Bahnen lenken, während er versucht, Schritt zu halten.

Lesen:

Wenn ihr euch völlig frei von Erwartungen machen könnt und ihr Lust auf eine ruhige, aber abgedreht ungewöhnliche Geschichte habt, dann erwarten euch unterhaltsame Lesestunden.

Weglegen:

Wer gern ein kriminalistisches Fantasywerk lesen mag, sollte dringend zu einem anderen Buch greifen.

Mal ehrlich:

Wenn ich „Der Uhrmacher in der Filigree Street“ kurz zusammenfassen müsste, würde mir wohl aus dem Mund purzeln: „Was war das denn?“
Ich habe keine Ahnung. Die Geschichte war an sich nicht langweilig, aber so ermüdend langsam und detailverliebt erzählt. Der Spannungsbogen zog so wenig an, dass ich schon glaubte es würde nie packende Stimmung aufkommen. Sie kam, aber erst im letzten Viertel, wo ich mir im Grunde nur noch das Ende herbeisehnte.
Für mich war das hier alles zu unausgegoren. Der Krimiteil war so klitzeklein, bis auf den Bombenanschlag und mal dem nebenbei raten, wer der Bombenbauer sein könnte, verkümmerte dieser Erzählstrang gar fürchterlich. Ermittlung? Fehlanzeige.
Fantasy wurde recht schnell abgefackelt, indem zwei Figuren eine besondere Gabe hatten und eine Person einen pseudowissenschaftlichen Ansatz verfolgte. Das war alles. Einzigartige Welten und komplexe Zusammenhänge? Hier nicht.
Womit das Buch glänzen konnte, war der historische Anteil. Ja, das viktorianische und kaiserlich-japanische Zeitalter waren durchgängig spürbar. Die gesellschaftlichen Konventionen perfekt ausgearbeitet und umgesetzt. Auch das bildliche Darstellen der Szenenbilder war gut geglückt. Aber Emotionen verkümmerten auf den Weg zu mir. Politische Ränkespielchen angedeutet, aber nicht vertieft, was gut gewesen wäre, um den Mini-Krimiteil besser verstehen zu können.
Nun gut, alles im Allen ein solides Buch.

Fazit:

Für mich war das leider nichts Halbes und nichts Ganzes. Im Grunde wurde hier zum Großteil Thaniels Lebensgeschichte erzählt. Krimi oder Fantasy war hier nur ganz minimal angehaucht zu finden, eher würde ich das Ganze als einen soliden historischen Roman gewürzt mit etwas Mysterium einstufen.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

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