Auf diesen Krimi bin ich nur durch Zufall aufmerksam geworden, als ich auf der Suche nach einem neuen Hörbuch gewesen war. Ich hatte gezielt nach der Hörbuchsprecherin Martina Treger gesucht und stolperte über „Blind“.

In meiner Rezension „Blind“ von Christine Brand
lüfte ich, ob sich dieser Krimi lohnt und wie mir das Hörbuch insgesamt gefallen hatte.


 

Blind von Christine Brand
© Umschlaggestaltung: www.buerosued.de

Infos zum Buch
erschienen bei Random House Audio, Deutschland
Veröffentlicht 04 März 2019
Spieldauer 10 Stunden und 43 Minuten
Sprecherin Martina Treger
Band 1 der Reihe Milla Nova ermittelt
erhältlich als Taschenbuch, Hörbuch und eBook
 

Klappentext

»Eine genial spannende Idee meisterhaft umgesetzt. Krimikunst vom Feinsten!« Sebastian Fitzek

Nathaniel hört einen Schrei, dann bricht die Verbindung ab. Gerade noch telefonierte er mit einer Frau. Eine anonyme App verband die beiden, die Frau half Nathaniel dabei, das richtige Hemd zu wählen, denn Nathaniel ist blind. Doch der Schrei klang eindeutig. Was, wenn der Frau etwas angetan wurde? Er ist sich sicher: Es muss ein Verbrechen sein. Doch keiner glaubt ihm, es gibt keine Beweise, keine Spur. Gemeinsam mit einer Freundin, der Journalistin Milla, macht sich Nathaniel selbst auf die Suche nach der Wahrheit. Er ahnt nicht, dass er für die fremde Frau die einzige Chance sein könnte – oder ihr Untergang … Die unabhängig voneinander lesbaren Krimis um Milla Nova und Sandro Bandini bei Blanvalet:

1. Blind

2. Die Patientin

3. Der Bruder

4. Der Unbekannte

Lesen Sie auch »Wahre Verbrechen»: Christine Brand schreibt über ihre dramatischsten Fälle als Gerichtsreporterin.

© Klappentext: Blanvalet Verlag

Es ging gleich spannend los und ich bekam im Prolog Felix Winter präsentiert, der bei seinem ersten Tag in der Mordkommission zu einem brutalen Familienmord gerufen wurde. Meine Neugier war geweckt, doch nach diesem packenden Einstieg erfuhr ich erst einmal nichts weiter von oder über ihn. Im ersten Moment fand ich das reichlich schade, doch mich nahmen die weiteren Ereignisse so gefangen, dass ich fürs erste Felix Winter wieder vergaß.

Denn im Anschluss an den Prolog lernte ich erst die schwangere Carole Stein und danach den blinden Nathaniel Brenner kennen. Beide Protagonisten mochte ich auf Anhieb. Beide waren sie durchweg spannende Charaktere, die unterschiedlichen Herausforderungen gegenüberstanden. Während Carole hochschwanger auf die Geburt ihres Sohnes wartete, schlug sich Nathaniel mit seiner Hündin Alisha durchs Leben. Durch Zufall werden die beiden Protagonisten per Videochat miteinander verbunden, als Nathaniel Hilfe bei der Auswahl eines Hemdes benötigt. Ab da nahm das Schicksal seinen Lauf und die Geschichte rasant Fahrt auf.

Besonders gut gefiel mir, dass es mehrere Handlungsstränge und Schauplätze gegeben hatte. Ich begleitete recht viele unterschiedliche Figuren, jedoch baute Christine Brand die Geschichte so geschickt auf, dass ich die Übersicht spielend leicht behalten konnte. Aber auch die Sprecherin Martina Treger machte es mir leicht, durch die Vielzahl an unterschiedlichen Szenarien am Ball zu blieben. Bemerkenswert war hier, dass zu jedem Handlungsstrang andere Figuren im Fokus standen. So entstand ein sehr aufwendiger Handlungsaufbau, der sich mit zwei Kernthemen auseinandersetzte.
So versuchte Nathaniel, immer nah am Rande der Verzweiflung, Carole zu finden, doch niemand schien ihm so wirklich glauben zu wollen. Gleichzeitig durfte ich auch Carole über die Schulter schauen und konnte ihre Tortur miterleben.
Dann gab es aber noch den Fall der Polizei, indem es um mysteriöse HIV-Infizierungen ging. Hier hatte ich das Gefühl, dass dieser Storystrang weniger Gewicht als die Blindengeschichte hatte, allerdings kann dieser Eindruck auch nur an meiner subjektiven Wahrnehmung gelegen haben.

Die Charaktere fand ich alle samt interessant und vielschichtig aufgebaut. Auch bemühte sich Christine Brand, mich immer mit in die Leben der Hauptfiguren zu nehmen. So erfuhr ich zum Beispiel einiges über die Hindernisse, die Blinde im täglichen Leben bewältigen müssen. So war es auch kaum verwunderlich, dass ich reichlich Sympathien für Nathaniel hegte. Er war ein toller, warmherziger Charakter, der sich durch Hartnäckigkeit und Klugheit hervortat. Manchmal wirkte er weinerlich, aber es passte zu ihm und seinem Lebenshintergrund. Mir gefiel besonders, wie begreiflich Christine Brand mir Nathaniels Welt machte.

Carole Stein war für mich eine spannende Figur, die ein bisschen in der Flut der Ereignisse unterging. Ihr Kampf ums Überleben war zwar interessant, aber berührte mich nicht immer sehr intensiv. Trotzdem war ich stets neugierig, was weiter mit ihr geschehen würde und bangte schlussendlich mit ihr mit.

Milla Nova konnte ich am Anfang nicht einschätzen. Das lag aber vor allem daran, dass die Journalistin nicht gleich voll dabei war, sondern erst nach und nach in die verschiedenen Szenenebenen eingeflochten wurde. Sie war am Ende die Brücke zwischen den zwei Haupthandlungssträngen und brachte mich dadurch immer zum mitraten über mögliche Zusammenhänge.

Bei Sandro Bandini sah dies anders aus. Der Polizeichef der Abteilung Leib und Leben hatte es schwer bei mir. Ich mochte ihn am Anfang nicht sonderlich und es dauerte lange, bis ich mit ihm warm wurde. Aber ich konnte seine Entscheidungen nachvollziehen, da er ziemlich hohe moralische Wertvorstellungen besaß, mit denen er logischerweise an bestimmten Punkten immer wieder in einen Konflikt mit sich selber geriet.

Die wechselnde auktoriale Erzählperspektive brachte unglaublich viel Aufregung und überraschende Wendungen in „Blind“. Abgerundet wurde dies durch einen sehr flotten, einfach gehaltenen und dadurch leicht zu lesenden Schreibstil. Er sorgte dafür, dass oft schmunzeln musste, aber ebenso Mitfiebern konnte, wenn es plötzlich total packend wurde. Auch die kurzen Kapitel trugen dazu bei, dass das Spannungsniveau kontinuierlich hoch blieb.
Einzig bemängeln muss ich die Wahl der Hauptschauplätze, welche zwischen Bern und Zürich hin und her wechselten. Für mich hätten das auch Städte wie Berlin oder Hannover sein können. Hier hätte ich mir gern noch etwas mehr speziellen Flair der jeweiligen Städte gewünscht.

Das mir „Blind“ so gut gefiel, lag mit Sicherheit auch an der wundervollen Martina Treger. Ihre Art zu sprechen und die Geschichte zu erzählen, war ein absoluter Hörgenuss. Ich höre ihr unglaublich gerne zu und sie schaffte es, alle Emotionen so zu transportieren, dass sie bei mir auch ankamen. Als Hörbuch kann ich „Blind“ definitiv empfehlen.
Etwa bei der Hälfte des Hörbuches war ich mir recht sicher, wie die Auflösung des Krimis aussehen würde. Doch Christine Brand machte es mich gar nicht so einfach und legte reichlich falsche Fährten aus, die genau betrachtet auch erschreckend logisch waren. So fing ich irgendwann an mir selbst und meinen Überlegungen nicht mehr zu trauen. Das spornte mich zum Weiterraten an.

Das Ende war an sich nicht überraschend für mich, weil ich insgesamt genau richtig gelegen hatte. Aber die Umsetzung fand ich sehr gelungen, auch, dass es zum Schluss etwas offenblieb. Denn der Kern der Geschichte wurde schlüssig aufgelöst und es schloss sich der Kreis mit der Szene zu Beginn. Das fand ich übrigens sehr genial gemacht. Dafür weckte der Ausgang von „Blind“ meine Neugier auf die weiteren Bände mit Milla Nova, denn dieses Buch hier war der Start in eine neue Reihe.

Blind von Christine Brand
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Ein blinder Ohrenzeuge, dem niemand wirklich glauben mag, dass einer jungen Frau etwas zugestoßen ist und ein Ermittlerteam, das in seltsamen Fällen von HIV-Ansteckungen recherchieren muss. Zusammen ergibt dies einen spannungsgeladenen Krimi.

Lesen:

Wenn ihr gute Krimis mögt, die sich locker leicht lesen oder hören lassen und ohne großes Blutvergießen auskommen.

Weglegen:

Wenn ihr Blut und Gemetzel mögt, wird euch dieser Krimi nicht gefallen. Ansonsten findet ihr hier gute Krimiunterhaltung.

Mal ehrlich:

Eher unkonventionell kam ich zu „Blind“. Als Sprecherin hatte ich mir Martina Treger auserkoren und darüber fand ich diesen klasse konstruierten Krimi. Stück für Stück lernte ich alle wichtigen Figuren kennen. Durch diesen sehr umsichtigen und langsamen Handlungsaufbau entstand ein solides erzählerisches Gerüst, welches jede Menge Spannung und überraschende Wendungen für mich parat hielt.
Durch die vielen Blickwinkel innerhalb der Erzählperspektive entstand eine packende Dynamik und jede Menge Schauplätze, die in zwei Haupthandlungssträngen gipfelten, die vom Thema nicht unterschiedlicher hätten sein können.
Im ersten wurde der blinde Nathaniel beleuchtet, der Ohrenzeuge eines vermeintlichen Verbrechens an der schwangeren Carole wurde. Im zweiten ermittelte Sandro Bandini in einem Fall mysteriöser HIV-Ansteckungen, auf den auch die ambitionierte Journalistin Milla Nova aufmerksam wurde.
Mittendrin ein flotter, teilweise humorvoller Schreibstil mit jeder Menge packender Cliffhanger am Kapitelende und einer Martina Treger, die mit ihrer einzigartigen Stimmfärbung, mit Sprachstil und Betonungen so fesselnd und unterhaltsam spielte, dass ich ständig weiterhören wollte.
Ja, irgendwann hatte ich mir eine Lösung der Fälle zusammengebastelt, aber Christine Brand ließ mich ziemlich häufig daran zweifeln. Ständig grätschte sie in meine Überlegungen hinein und ich war mir nie zu 100 % sicher, ob die Puzzlestücke nun zu diesem Bild oder doch eher zu einem anderen würden passen.

Fazit:

Ein spannender Krimi, der jede Menge packender Wendungen auf Lager hatte und mich bestens unterhalten konnte. Das Mitraten und die sehr unterschiedlichen, aber sympathischen Hauptcharaktere hatten mir extrem viel Spaß gemacht.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

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