Seit der Bronski-Serie lese ich die Bücher von Bernhard Aichner gern. Yoko stand schon länger auf meinem Wunschzettel und dank eines Buddy-Reads ist es dann bei mir eingezogen.
In meiner Rezension „Yoko“ von Bernhard Aichner lasse ich Revue passieren, was mich beim Lesen bewegt hat.

© Umschlaggestaltung: semper smile, München
erschienen bei Wunderlich
Veröffentlicht 13. August 2024
336 Seiten
Band 1 Die Rache-Serie
erhältlich als Hardcover, Hörbuch und EBook
Klappentext
Yoko ist Ende zwanzig, als sie die Metzgerei, die sie von ihrem Vater geerbt hat, in eine kleine Manufaktur umwandelt. Mit Hingabe verpackt sie fortan das Glück in Kekse, anstatt Schweinehälften zu zerlegen. Sie ist verliebt, ihr Leben ist erfüllt von Leichtigkeit, doch von einem Moment zum anderen zerbricht alles.
Yoko liefert eine Kiste Glückskekse an ein chinesisches Restaurant aus, und als sie versucht, einem kleinen Hund im Hinterhof zu helfen, wird sie für ihre Courage von dessen Peinigern bestraft. Der Hund stirbt. Und Yokos Albtraum beginnt.
Noch ahnt sie nicht, mit wem sie es zu tun hat. Wie viel Leid über sie hereinbrechen und mit welch ungeahnter Härte sie sich dafür rächen wird. Ihr wird alles genommen, was ihr lieb ist. Und deshalb schlägt Yoko zurück. Erbarmungslos.
© Klappentext: Wunderlich
Yoko beginnt mit einer Situation, welche mir direkt unter die Haut geht, weil sie so erschreckend alltäglich sein könnte. Hauptfigur Yoko begegnet einem ausgemergelten Hund und schenkt ihm einen Moment Aufmerksamkeit. Ich ahne bereits, dass hinter der scheinbaren Ruhe eine sich anbahnende Tragödie lauert und gleich nichts mehr so sein wird wie zuvor. Nach dieser kurzen Begegnung liefert Yoko Glückskekse in ein chinesisches Restaurant aus und plötzlich liegt Spannung in der Luft, als Yoko es wieder verlässt. Es sind diese kleinen Augenblicke, die unser Handeln bestimmen, uns dazu verleiten, etwas Unüberlegtes zu tun und dadurch etwas ausgelöst wird, das sich nicht mehr aufhalten lässt. Die aufbrandende Gefahr, in die Yoko nun schlittert, zieht mich sofort in die Geschichte.
Bernhard Aichner erzählt mit einer Klarheit, die schmerzhaft auf den Punkt gebracht ist. Seine Sprache ist reduziert, aber eindringlich. Kein Wort wird zu viel erzählt, jede Szene wirkt eindrucksvoll aufgrund der knackigen Beschreibungen. Auch passt er seine Sprache an die Gegebenheiten und an das entsprechende Milieu an. So wird Yoko unglaublich realistisch. Je nach Situation werden packende Szenen durch ruhigere Passagen abgelöst. Diese sind manchmal leicht und fast zärtlich, mal schwer und traurig. Genau diese Wechsel machen das Lesen so intensiv für mich. Abgerundet wird das Ganze durch die nur auf das gesprochene Wort reduzierten Dialoge, welche ein hohes Tempo ermöglichen.
Der Hauptstrang in der Gegenwart wird kunstvoll mit Rückblenden verwoben, die mir Stück für Stück Zugang zu Yokos Innenleben und Vergangenheit verschaffen. Ich tauche tief in ihre Gedankenwelt ein, spüre ihre Verletzlichkeit, ihre Stärke, ihre Sehnsucht nach Halt. Besonders eindringlich ist die Darstellung ihrer Gefühlswelt nach einem Gewalterlebnis. Aichner beschönigt nichts, geht aber auch nicht zu sehr ins Detail. Stattdessen gelingt ihm eine einfühlsame und erschütternde Darstellung, die sich für mich authentisch anfühlt.
Yoko ist für mich ein psychologischer Thriller, der sich mit dem Thema Selbstjustiz auseinandersetzt. Die Frage, ob das Bestrafen von Tätern gerechtfertigt ist, zieht sich wie ein dunkler Faden durch die Geschichte. Yoko ist eine Antiheldin, die Recht und Unrecht kennt, aber von Rache getrieben einen Weg einschlägt, den viele nicht gehen würden. Ihr Fachwissen hilft ihr, sich zu wehren und einen Plan zu ersinnen, der mich schockiert und gleichzeitig fasziniert. Obwohl Yoko nach gesellschaftlichen Normen das falsche macht, bin ich ansatzlos auf ihrer Seite. Yokos Schicksal bewegt mich zutiefst.
Auch die Nebenfiguren tragen dazu bei, dass Yoko so eindringlich ist. Maren Yokos große Liebe ist eine stille Kraft, die Yoko stützt, ohne dabei zu bewerten. Ich mag Maren und wie sie alles daransetzt, Yoko aus dem Trauma wieder ins Leben zu führen.
Richard, Polizist und Freund von Yokos verstorbenen Vater, hingegen bleibt rätselhaft. Seine Rolle changiert zwischen Hilfe und Gefahr, was die Spannung zusätzlich anheizt und gleichzeitig dafür sorgt, dass die Wendungen unvorhersehbar sind.
Immer wieder wird deutlich, wie nah Freude und Leid beieinanderliegen. Diese Szenen sorgen für einen Knoten in meinem Bauch und hallen lange nach.
Bei dem sich anbahnenden Finale bin ich völlig gebannt und erstaunt von dem stimmigen Ende.

© Foto: Monique Meier
Kurz gesagt:
Was dich erwartet:
Durch den minimalistischen und eindringlichen Sprachstil erwartet euch ein Thriller voller intensiver und kontrastreicher Emotionen sowie Szenarien. Diese Geschichte geht unter die Haut und spielt gekonnt mit dem Thema Rache.
Lesen:
Wenn ihr dichte und spannend erzählte Thriller mögt, wird euch dieses Buch mit seinen überraschenden Schicksalswendungen und seiner knackigen Erzählweise fesseln können.
Weglegen:
Vorsicht! Yoko behandelt ein sensibles und gewalttätiges Thema. Wenn ihr empfindlich auf sexuellen Missbrauch reagiert, solltet ihr das Buch bitte nicht lesen. Es wird zwar nicht im Detail beschrieben, ist aber der Auslöser für diesen Thriller.
Mal ehrlich:
Schon der Einstieg in diese Geschichte bringt mein Herz zum Rasen. Wie schnell aus einem scheinbar alltäglichen Moment ein Leben zerstört werden kann, wird eindrucksvoll von Yoko erzählt. Sie ist die Hauptfigur in diesem Thriller, der sich teilweise so dramatisch entspinnt, dass mir die Luft wegbleibt. Verstärkt wird dies eindrucksvoll von Bernhard Aichners reduzierter und doch auf den Punkt gebrachter Sprache. Besonders die Dialoge treiben das Tempo voran, während leisere Erzählpassagen Raum für Nachdenklichkeit und emotionale Tiefe schaffen. Diese Balance zwischen Rasanz und ruhigen Augenblicken macht das Buch so intensiv für mich.
Die Rückblenden werden kunstvoll in den Hauptstrang verwoben und gewähren mir Einblicke in Yokos Vergangenheit. Gleichzeitig lassen sie mich ihre innere Zerrissenheit spüren und erkennen, was Yoko so sehr geprägt hat.
Yoko ist keine klassische Heldin. Sie weiß, was richtig und falsch ist, doch ihr Weg ist von Rache gezeichnet. Ich verstehe ihre Beweggründe und frage mich gleichzeitig, wie weit sie wirklich gehen darf, um Gerechtigkeit zu erlangen. Der Thriller arbeitet mit dem Thema Selbstjustiz und stellt unbequeme Fragen. Einfache Antworten gibt es nicht, genauso wie im wahren Leben.
Sehr eindringlich wird die ausgelebte Gewalt in diesem Buch dargestellt. Bernhard Aichner beschönigt nichts, ergießt sich aber auch nicht an allen Stellen in bildlichen Details. Er findet dabei die richtige Mischung aus eindeutigen Szenen und welchen, die zwar andeuten, aber dennoch keinen Spielraum für die Fantasie lassen.
Die wenigen Nebenfiguren geben der Geschichte zusätzliche Tiefe und intensivieren den schmerzhaften Eindruck, wie nah Glück und Leid beieinanderliegen und wie schnell alles von einem Extrem ins nächste kippen kann.
Die Rachespirale dreht sich immer schneller und ich warte gespannt auf den Höhepunkt. Mich überrascht das Ende und Yoko bleibt noch lange danach in meinen Gedanken.
Fazit:
Yoko ist für mich ein intensives Leseerlebnis, das mit minimalistischer Sprache eine maximale Wirkung erzielt. Ein Thriller, der lange nachhallt und mich emotional nicht mehr losgelassen hat.
*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*
Lesetipp:
Lust auf einen Krimi, der mit Raffinesse und Spannung punkten kann?
Dann empfehle ich euch:
DUNKELKAMMER: Ein Bronski Krimi von Bernhard Aichner