Auf das Hörbuch wäre ich ohne die Agentur Mainwunder nicht aufmerksam geworden. Sie haben mir die Geschichte vorgestellt und haben mich neugierig darauf gemacht.
In meiner Rezension „Die Spur der Ratten“ von Christian Sünderwald folge ich meinen Leseeindrücken und ihr könnt erkennen, ob mir das Thriller Debüt gefallen hat.
Leseexemplar
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst

© Umschlaggestaltung: edition winterwork
erschienen bei Gerrit Petersen
Veröffentlicht 04 November 2025
Gesprochen von Gerrit Petersen
Hörzeit: 16 Stunden und 6 Minuten
Version: Ungekürzte Ausgabe
erhältlich als Taschenbuch, Hörbuch und EBook
Klappentext
© Klappentext: winterwork
Das Vorwort stimmt mich auf das Hörbuch ein. Mir wird deutlich gemacht, dass es sich zwar um ein fiktionales Werk handelt, gleichzeitig jedoch einen fundierten historischen Hintergrund hat.
Der Prolog wirkt beinah klinisch und unterschwellig bedrohlich. Es ist spürbar, dass hier etwas geschieht, dass ethisch sehr fragwürdig ist. Was genau, wird jedoch nicht näher beleuchtet. So werden direkt Fragen aufgeworfen, auf dessen Antworten ich sehr gespannt bin.
Das erste Kapitel startet rasant mit mehreren Perspektiv- und Szenenwechseln. Die Atmosphäre vibriert vor Spannung und zieht mich direkt in das actiongeladene Geschehen. Interessanterweise arbeitet Christian Sünderwald mit starken Kontrasten. Erfolg und Verzweiflung liegen dicht beieinander. Fasziniert erlebe ich, wie nach den spannungsgeladenen Actionszenen die Atmosphäre kippt. Geschickt werden biografische Rückblenden zu den beiden Hauptcharakteren Ulrich Faßmann und Wilhelm von Berg eingearbeitet. So erhalte ich die Gelegenheit, die beiden intensiver kennenzulernen.
Ulrich Faßmann und Wilhelm von Berg sind Geschäftspartner und obwohl sie einige gemeinsame charakterliche Eigenschaften besitzen, sind die Unterschiede zwischen ihnen deutlich.
Ulrich Faßmann ist charismatisch und getrieben Abenteuerlust in Verbindung mit Erfolg. Obwohl er es aus moralischer Sicht nicht immer so genau nimmt, wirkt er auf mich nicht skrupellos, was meine Sympathie für ihn weckt.
Wilhelm von Berg ist dagegen weltgewandt, aber auch um einiges abgebrühter. Seine Vergangenheit in der Fremdenlegion hat ihm so einiges an nützlichem Wissen ermöglicht. Dies kommt Ulrich Faßmann in ihrer jetzigen brenzligen Situation zu Gute. Wilhelm von Berg wirkt auf mich zwar raubeinig, aber auch ein wenig väterlich.
Nach und nach werden weitere Charaktere mit unterschiedlichsten Bedeutungsstufen eingeführt. Dies verleiht der Geschichte Tiefe und Komplexität.
Durch den personalen Erzähler werden Perspektivwechsel ermöglicht, sodass ich einen größeren Überblick habe als die einzelnen Figuren. Diese Konstellation trägt die Handlung zunächst überzeugend.
Der Schreibstil bietet mir eine große Spannweite an verschiedenen Leseeindrücken. Von kühler und mit viel Wissen angereicherter Sachlichkeit bis hin zu emotionaler Spannung ist alles abgedeckt. Dabei bleibt der Schreibstil bildlich, sodass ich die Szenen wie beim Film schauen vor Augen habe. Manchmal allerdings verliert sich Christian Sünderwald in Detailbeschreibungen, die mich anfangen zu ermüden.
Was mir sehr gut gefällt, ist, dass es Christian Sünderwald hervorragend gelingt, historische und allgemeine Fakten mit Fiktion zu mischen. Das verleiht dem Ganzen über längere Strecken einen realistischen Unterton.
Doch im weiteren Verlauf verliert Die Spur der Ratten an Kraft. Die eingeführte Nebenhandlung, die sich zu einer aufflammenden Liebesgeschichte zwischen Faßmann und seiner Frau Anja entwickelt, nimmt viel Raum ein und wiederholt sich in deren Gefühlsbeschreibungen. Statt die Spannung zu steigern, bremst sie den Thriller aus.
Hinzu kommen unrealistische Szenen, welche die Glaubwürdigkeit untergraben. So gönnt sich zum Beispiel Faßmann trotz akuter Lebensgefahr unbeschwerte Restaurantbesuche.
Der Showdown wirkt auf einmal wie ein plötzlicher Trick. Eine neue Komponente taucht auf und bringt eine Wendung, die ohne jegliche Vorbereitung da ist. Das Finale passt meiner Meinung nach nicht zum starken Beginn und lässt mich ernüchtert zurück.
Der Sprecher Gerrit Petersen ist ein deutlicher Pluspunkt. Seine angenehme Stimme und die Fähigkeit, die historische Detailfülle zugänglich zu machen sowie die verschiedenen Atmosphären stimmungsvoll an mich zu transportieren, tragen die Geschichte lange Zeit. Doch auch er vermag die zunehmende Langatmigkeit nicht abzumildern.

© Foto: Monique Meier
Kurz gesagt:
Was dich erwartet:
Ein komplexer Thriller zwischen historischer Detailliertheit und fiktionalem Spannungsgeschehen sowie zwischenmenschlichen Beziehungsbetrachtungen.
Lesen:
Wenn ihr Thriller mit realem Hintergrund mögt, bei dem die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion interessant verschwimmen. Allerdings solltet ihr euch auch für Verschwörungstheorien offen zeigen.
Weglegen:
Wenn ihr keine komplexen Thriller mit Verschwörungsanteilen lesen mögt.
Mal ehrlich:
Die Spur der Ratten beginnt vielversprechend und temporeich. Der Prolog wirkt kühl und bedrohlich, was sofort für Fragen in meinem Kopf sorgt. Auch die ersten Kapitel können mich durch Spannung, Kontraste innerhalb der Atmosphäre und lebendiger Charakter überzeugen. Die Protagonisten Ulrich Faßmann und Wilhelm von Berg sind unterschiedlich genug, um Reibung und Dynamik zu erzeugen. Interessant finde ich die historischen Fakten rund um die Enigma sowie der kirchlichen Verstrickungen während der Nazi-Diktatur. Dies verleiht der Handlung Gewicht und eine Dringlichkeit, das Unrecht wieder gut zu machen.
Doch je weiter die Geschichte voranschreitet, desto mehr verliert sie an Intensität. Die Liebesgeschichte zwischen Faßmann und seiner getrenntlebenden Frau Anja nimmt überhand, wiederholt sich in emotionalen Beschreibungen und bremst den Thriller aus. Hinzu gesellen sich unrealistische Szenen, wie zum Beispiel, dass Faßmann trotz Lebensgefahr völlig entspannt in Deutschlands Restaurants und Hotels ein- und ausgeht. Das untergräbt massiv die Glaubwürdigkeit der Handlung.
Der Showdown selbst wirkt schließlich wie ein Zaubertrick. Plötzlich wird eine neue Komponente etabliert, die völlig aus dem Nichts kommt. Das Ergebnis ist ein Finale, das für meinen Geschmack nicht zum starken Anfang passt und mich leider auch nur mäßig überzeugen kann.
Der Sprecher Gerrit Petersen ist ein Lichtblick. Seine Fähigkeit der Geschichte Leben einzuhauchen und die verschiedenen Spannungsebenen sowie Charaktere darzustellen, fesseln mich ans Hörbuch. Doch auch er kann die zunehmende Langatmigkeit nicht kaschieren.
Fazit:
Die Spur der Ratten beginnt atmosphärisch stark und begeistert mich mit den historischen Bezügen. Leider verliert sich die Handlung durch Nebenstränge, die das Geschehen nicht essenziell voranbringen und die Spannung empfindlich dämpfen. Auch das Ende vermag mich nicht mehr abzuholen.
*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*
Lesetipp:
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