Yoko hatte mich begeistert und das halb offene Ende fand ich angemessen zu dieser sehr außergewöhnlichen Rache-Geschichte. Dann kam die Info, dass es einen zweiten Teil geben wird und ich war sofort begeistert. Durch viel Glück habe ich bei einem Gewinnspiel John gewonnen.
In meiner Rezension „John“ von Bernhard Aichner kläre ich die Frage, ob die Fortsetzung den ersten Band toppen kann.
Leseexemplar
❧ Vielen Dank an Lisa Überbacher von Wörthersee-Rosental Tourismus GmbH für den Gewinn.
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst

© Umschlaggestaltung: semper smile, München
erschienen bei Wunderlich
Veröffentlicht 17. Juni 2025
320 Seiten
Band 2 der Die Rache-Serie
erhältlich als Hardcover, Hörbuch und EBook
Klappentext
John ist Yoko. Yoko ist John. Doch niemand kann sich selbst entkommen. Yoko ist eine gesuchte Mörderin auf der Flucht. Unter einer neuen Identität lebt sie als John auf einer kleinen griechischen Insel, arbeitet in einem Restaurant hoch über dem Meer, sie hat Freunde gefunden und ist zur Ruhe gekommen. Yoko ist Vergangenheit. John ist die Zukunft. Neben der Arbeit in der Taverne kümmert sich John um das Anwesen von Ingrid, einer wohlhabenden Frau, die nur die Sommermonate auf der Insel verbringt. Er pflegt den Garten, genießt die exklusive Ruhe und das Wohlwollen seiner Arbeitgeberin. Doch während John sich in Sicherheit wähnt, wird in Deutschland immer noch nach Yoko gefahndet. In einer Fernsehsendung wird der «Fall Yoko» wieder aufgerollt, neue Beweismittel kommen ans Licht. Ihre Akte wird wieder geöffnet, wovor Yoko sich immer gefürchtet hat, geschieht. John wird enttarnt. Die Jagd beginnt.
© Klappentext: Wunderlich
John setzt mit seiner Geschichte einige Jahre nach den Ereignissen von Yoko an. Prinzipiell ist John eigenständig lesbar, ich würde dies aber nicht empfehlen, da Yoko und John zusammengehören.
Der erste Eindruck wirkt idyllisch und das griechische Inselsetting verspricht einen schönen und entspannten Lebensabend für Yoko<. Als gesuchte Mörderin hat sie hier Unterschlupf unter ihrem Alias John gefunden.
Doch die Vergangenheit holt Yoko ein und durch mehrere Handlungsstränge, die in unterschiedlichen Zeitebenen spielen, erfahre ich, was nach den Erlebnissen von Yoko bis zu diesem Augenblick geschah, als Yoko wieder um ihre Freiheit bangen muss.
Es erstaunt mich, wie schnell sie erneut in Situationen hineingezogen wird, die kaum gut enden können. Doch gerade diese Dynamik macht den Thriller so fesselnd.
John zeichnet sich durch eine besonders interessante Erzählperspektive aus. Ich wechsle dabei zwischen Yokos Ich-Perspektive, dem des personalen Erzählers und den Dialogpassagen.
Yoko ist eine unzuverlässige Erzählerin. Sie betont zwar, die Wahrheit zu sagen, verschweigt jedoch gleichzeitig wichtige Details. Gerade deshalb finde ich ihre Innenansicht faszinierend, denn so wird Yoko für mich wieder greifbar und nahbar.
Der personale Erzähler verfügt ebenfalls über mehr Wissen, als er preisgibt. Er schafft dadurch einen emotionalen Abstand zu Yoko, obwohl sie im Mittelpunkt seiner Erzählung steht. Gleichzeitig gibt er den anderen Figuren die Möglichkeit, sich ebenfalls zu entfalten. Einige Charaktere aus Yoko treten auch in John auf, doch die meisten werden neu in die Geschichte eingeführt. Diese Mischung erzeugt eine spannende Dynamik und eröffnet viel Raum für unerwartete Wendungen.
Durch die wechselnden Perspektiven und die chronologisch erzählten Rückblenden entsteht ein komplexes Geflecht aus Zeitebenen, welches meinen Lesefluss nicht hemmt, sondern vielmehr intensiviert. Ich finde es besonders gelungen, wie die Vergangenheit in die Gegenwart hineinwirkt, immer wieder thematisiert wird und dabei ständig neue Facetten von Yokos Leben freilegt.
Yoko ist weiterhin eine sehr ambivalente Figur. Sie ist nicht nur Täterin, sondern auch Retterin. Ihre Schuldgefühle vermittelt sie ebenso glaubhaft wie ihr Kalkül, das Beste aus der Situation für sich und andere herauszuschlagen. Manchmal wirkt Yoko sogar ein bisschen naiv auf mich, lernt sie doch aus ihren falschen Entscheidungen nicht. Dennoch finde ich es unglaublich interessant, wie sie in den richtigen Momenten Ruhe bewahrt und waghalsige Entschlüsse fasst.
Ingrid, ein neuer Charakter, ist äußerst faszinierend. Sie wirkt auf mich sehr charismatisch, doch sobald ihre Fassade bröckelt, wird ihr Machtstreben ebenso deutlich wie das der ermittelnden Beamtin. Beide Frauen zeigen zunächst nur wenig von sich. Erst im Verlauf der Handlung offenbaren sich ihre wahren Ambitionen und Ziele.
Obwohl Richard keine tragende Rolle mehr in diesem Band innehat, ist er dennoch ein Teil von John. Er fungiert weiterhin als nüchterner Pragmatiker, der zugleich auch eine gute Prise Zynismus in die Geschichte bringt.
Bernhard Aichners Schreibstil treibt mich durch die Ereignisse. Seine kurzen Sätze reduzieren die Handlungen auf das Nötigste, was eine beinah fiebrige Atmosphäre schafft. Sein gekonnter Wechsel zwischen distanzierten Beschreibungen und unmittelbar dramatischen Augenblicken lassen die gelesenen Seiten förmlich dahinfliegen.
Besonders gelungen finde ich seine Figurensprache. Ingrid spricht charismatisch mit verstecktem resolutem Ton, Richard eher seiner Natur als Polizist taktisch und Yoko emotional. Das erschafft eine ganz eigene Dynamik, bei der Bernhard Aichner wieder gekonnt mit der Täter-Opfer-Umkehr arbeitet.
Moralische Grenzüberschreitungen mischen sich mit den Elementen des psychologischen Thrillers und schaffen so eine komplexe Sicht auf die Themen wie Schuld, Machtspiele, Konsequenzen, Vertuschung, Freundschaft und Rache. Besonders eindringlich finde ich die Frage, wie weit jemand gehen darf, um sich selbst zu schützen und wo da die moralische Grenze liegt.
John bleibt nicht an der Oberfläche. Dieser Thriller ist dicht erzählt, moralisch verstörend und von einer fesselnden sprachlichen Klarheit. Jede Szene treibt mich immer weiter auf den unweigerlichen Showdown zu und ich habe lange Zeit keine Ahnung, wohin mich Yokos Entscheidungen führen werden. Atemlos verfolge ich, wie ein scheinbar schöner Moment in ein hässliches Chaos kippen kann.
Ich fiebere auf das Ende hin und habe doch schon eine Ahnung, mit welchen Tricks mich Bernhard Aichner von der auflösenden Wahrheit fernhalten möchte. Leider muss ich sagen, dass der Schluss John nicht gerecht wird. Er wirkt zu glatt konstruiert, fast wie ein sauberer Abschluss, der nicht zu den chaotischen, widersprüchlichen Ereignissen davor passen will. Das dämpft auch meine Euphorie für diesen ansonsten sehr schön ausgeklügelten Thriller.

© Foto: Monique Meier
Kurz gesagt:
Was dich erwartet:
Ein psychologischer Thriller mit wechselnden Perspektiven und ambivalenten Figuren. Kurz und rasant geschrieben.
Lesen:
Wenn ihr komplexe und auf den Punkt gebrachte Thriller mit psychologischem Tiefgang mögt, solltet ihr euch John nicht entgehen lassen.
Weglegen:
Wenn euch wechselnde Perspektiven irritieren und ihr lieber einen ausschweifenden Schreibstil mögt.
Mal ehrlich:
Ein wunderschöner, ruhiger Unterschlupf und eine neue Identität klingen nach einem entspannten Neuanfang. Doch für Yoko alias John wird der Frieden schneller bedroht als erwartet, denn Yokos Vergangenheit holt sie ein.
So starte ich in einen Thriller, der mich durch klug gesetzte Perspektivwechsel, Zeitsprünge und moralische Grauzonen jagt.
Die packende Kombination von Handlungen in der Gegenwart und Rückblenden sowie der Wechsel zwischen verschiedenen Erzählformen sorgen für ein rasantes Lesevergnügen. Die Erzählperspektiven, sowohl die Ich- als und die personale Perspektive sowie die auf das gesprochene Wort reduzierten Dialoge, schaffen eine zusätzliche Sogwirkung, die es mir schwer macht, das Buch aus der Hand zu legen.
Yoko bleibt eine ambivalente Figur. Als Täterin, Opfer und Strategin muss sie ständig auf der Hut und gleichzeitig auf Zack sein, dennoch wirkt sie manchmal erstaunlich naiv auf mich. Immer wieder stolpert sie in Situationen, die sie ins Chaos stürzen. Abgerundet wird dies durch neue und alte Charaktere, die undurchsichtig sind und bei denen ich erst spät weiß, ob sie Freund oder Feind sind.
Sprachlich bleibt Aichner gewohnt präzise. Seine kurzen Sätze werden gemischt mit starken Charakteren und ermöglichen so ein hohes sowie packendes Erzähltempo. Die Atmosphäre ist aufgeheizt und die Dynamik zwischen den Figuren schon fast elektrisierend.
Wieder wird mit Täter-Opfer-Umkehr gespielt und der zentralen Frage „Wie weit darf jemand gehen, um sich selbst zu retten?“.
Ich bin gefesselt von den Ereignissen und rase auf das Ende zu. Doch das erwartet mich glattgebügelt und zu sauber für das, was vorher an emotionalen und unerwarteten Wendungen aufgebaut wurde. Das Finale wirkt wie ein Aussöhnen, fast märchenhaft. Mich enttäuscht das und schmält leider meinen Gesamteindruck.
Fazit:
Ein sprachlich pointierter und rasant zu lesender Thriller, der mitreißt und zum Miträtseln einlädt.
*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*
Lesetipp:
Lust, Yoko von Beginn an kennenzulernen?
Dann empfehle ich euch:
Yoko von Bernhard Aichner