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Henri Faber ist in der Buchbubble schon länger ein Garant für fesselnde Thriller. Nur gelesen habe ich bis lang noch kein Buch von ihm, sodass ich dies unbedingt ändern und meine eigene Meinung bilden wollte. Da kam es mir gelegen, dass sein neuster Thriller gerade veröffentlich wurde.

In meiner Rezension „Locked in“ von Henri Faber kann ich euch sagen, ob ich die Lobeshymnen nachvollziehen kann.

Leseexemplar
❧ Dieses Buch habe ich als Freiexemplar vom dtv Verlag erhalten
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst

 

Locked in von Henri Faber
© Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Infos zum Buch
erschienen bei dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
Veröffentlicht 15. Mai 2025
ca. 416 Seiten
erhältlich als Taschenbuch, Hörbuch und eBook
 

Klappentext

Du bist gefangen. Doch dein Entführer liegt im Koma. Und deine Zeit läuft ab.

In Heidelberg verschwinden Menschen. Die Hoffnung, sie lebend wiederzusehen, sinkt von Tag zu Tag. Als Kommissar Paul Maertens endlich eine Spur zum Entführer findet, kommt es bei der Festnahme zu einem fatalen Unfall. Der Täter fällt ins Wachkoma, und seine Opfer scheinen verloren. Um sie zu retten, bleibt Maertens nur eine Chance: Der berühmte Neurologe Dr. Theo Linde hat eine Methode entwickelt, mit der er die Gedanken von Komapatienten lesen kann. Gemeinsam dringen sie in das Bewusstsein des Täters ein, um das Versteck der Entführten zu finden. Doch die Uhr tickt. Hinter jedem Gedanken verbirgt sich ein Hintergedanke. Und das Böse lauert nicht nur im Kopf des Entführers.

© Klappentext: dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

Für maximale Verwirrung sorgt der Prolog bei mir. Die Aussage der unbekannten Person ist so irritierend, dass ich eine Pause einlegen muss. Ich bin nicht in der Lage, mir das Gelesene direkt bildlich vorzustellen. Nachdem ich mir bewusst Zeit für die Szenerie gelassen habe, finde ich einen logischen Zugang zu den Geschehnissen, auch wenn mir vieles davon noch Rätsel aufgibt.

Dann starte ich direkt in den ersten von fünf Teilen. Die Atmosphäre zieht mich direkt in ihren Bann und ich habe direkt Lust weiterzulesen, weil Henri Faber es schafft, meine Neugierde zu wecken und zu halten.
Mir fällt direkt auf, dass Locked in durchgängig in der Ich-Perspektive erzählt wird. Das erzeugt bei mir Nähe zu den einzelnen Charakteren, gleichzeitig ist mir bewusst, dass deren Erzählungen sehr subjektiv sind und mir dadurch eine komplexere Sicht auf die Ereignisse verwehrt bleibt. Allerdings hat der sehr persönliche und emotionale Stil der Figuren seinen eigenen Reiz und macht Locked in faszinierend.
Passend zu den Ich-Erzählern hat Henri Faber deren Sprachstil gestaltet. Ich kann sie sehr gut auseinanderhalten.

Kommissar Paul Maertens mit seiner ruppigen Art ist ein getriebener Mann. Seine Vergangenheit ist schmerzlich und der Verlust, den er erlitten hat, ist offenbar die Ursache für sein oft brüskes Vorgehen. Was genau ihn umtreibt, ist genauso ein Rätsel wie die Menschen, die aus unerklärlichen Gründen und ohne erkennbaren Zusammenhang in Heidelberg verschwinden.
Sein Erzählstil ist schnörkellos und direkt.

Professor Dr. Theo Linde, der brillante Neurowissenschaftler, wirkt mit seinem Bedürfnis, das Unmögliche möglich zu machen, ziemlich verschroben. Er erfüllt das Klischee eines klassischen Nerds, da er einzelgängerisch, undurchschaubar und versessen darauf ist, dass seine bahnbrechende Erfindung einen echten Mehrwert für die Wissenschaft darstellt. Obwohl Linde von den Fachkollegen belächelt wird, setzt Paul Maertens all seine Hoffnung in dessen Erfindung. Denn mithilfe des „Neuro Hubs“ kann Linde von Patienten mit dem Locked-in-Syndrom einfache Ja / Nein Antworten erhalten.
Dies ist wichtig für Paul Maertens, denn er ist schuld daran, dass der ermittelte Täter nun im Wachkoma liegt.
Lindes Erzählstil ist gehoben und von einer gewissen Poesie durchzogen. Dennoch wirkt er manchmal ein wenig zerstreut auf mich, sodass ich seiner Erzählung kritisch gegenüberstehe.

Richtig spannend finde ich die Ich-Erzählstimme des unbekannten Mannes im Verlies. Er weiß weder wer er ist, noch wie er in diese unglückliche Lage kommen konnte. Das macht seine Emotionen roh und aufwühlend. Seine Verzweiflung dringt durch jede Zeile und ich folge gebannt, wie er versucht, sich gegen den aufkommenden Wahnsinn zu stemmen.
Ich spekuliere viel, wer der Unbekannte sein könnte.
Ein wenig vermisse ich die Perspektive des Wachkomapatienten. Da der Thriller Locked in heißt und sich zu Beginn auch das Thema darum dreht, hätte mich besonders diese Innenansicht interessiert. Diese bleibt jedoch aus. Leider verliert sich im späteren Verlauf auch der Fokus vom Locked-in-Syndrom und macht Platz für andere Themengebiete. Das finde ich ein wenig schade, kann aber nachvollziehen, weshalb sich Henri Faber dafür entschieden hat.

Die Perspektivwechsel erfolgen rasch und durch die kurzen Kapitel entsteht ein hohes Erzähltempo. Das komplexe Geflecht aus verschiedenen Ereignissträngen ist herausfordernd, aber auch sehr spannungsvoll. Locked in lebt von seiner atmosphärischen Spannung und wird besonders durch die Verzweiflung, die alle Erzählenden fest im Griff hält, richtig packend.
Interessanterweise fließen die Gedanken und Erinnerungen der Erzählenden ineinander über, was manchmal für einen nicht linearen Handlungsfaden sorgt. Wiederholungen verstärken die bedrückende Atmosphäre, allerdings gibt es manche Passagen, die ich nicht zwingend noch mal in Dauerschleife lesen müsste.

Bis etwa zwei Drittel von Locked in bin ich fasziniert von dem Handlungslabyrinth, in das mich Henri Faber geschickt hat. Überraschende Wendungen und geschickt platzierte Perspektivwechsel laden mich zum Spekulieren ein. Oft liege ich daneben, doch bei ein paar Punkten bin ich mir ziemlich sicher, wohin sie führen.
Ich folge den Charakteren fasziniert und empfinde auch die Nebencharaktere als Bereicherung. Viele verschiedene Schauplätze und Ereignisse machen Locked in erlebbar und sogar realistisch.
Bis Henri Faber zu viele Plottwists aufeinanderfolgen lässt. Er dreht immer weiter an der Spannungsschraube, bis sie schlussendlich überdreht ist und meine Begeisterung sich für Locked in trübt. Ab dann wird es abgedreht und teilweise wirklich absurd. Hier musste mit Macht noch eins draufgesetzt werden, was ich unendlich schade finde.
Locked in ist ein mitreißender Thriller, der gut durchdacht und umgesetzt wurde. Der Schluss macht die Geschichte zwar rund, kann mich aber schlussendlich nicht gänzlich überzeugen.

Locked in von Henri Faber
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Einen intensiven Thriller mit vielen psychologischen Elementen, der tief in die Gedankenwelt der Charaktere eintaucht und mit spannenden Wendungen sowie einer fesselnden Atmosphäre an die Seiten fesselt.

Lesen:

Wenn ihr Thriller mögt, die psychologisch komplex sind und mit vielschichtigen Charakteren überzeugen können.

Weglegen:

Wenn ihr lieber einen leichteren Erzählstil ohne verschachtelte Handlungsstränge lesen mögt, solltet ihr Locked in liegen lassen.

Mal ehrlich:

Locked in lässt mich von Anfang an in eine düstere Atmosphäre eintauchen und entpuppt sich im weiteren Verlauf als ein psychologisch vielschichtiger Thriller, bei den es viele kleinere und größere Rätsel zu lösen gilt.
Locked in wird aus verschiedenen Ich-Perspektiven erzählt, was eine interessante Nähe und Tiefe zu den Charakteren schafft. Hier spielt der Autor auch gekonnt mit der Subjektivität der Erzähler, sodass es manchmal chaotisch wirkt, was die Handlung komplex, aber auch fordernd macht.
Gut gelungen finde ich den zu den Figuren passenden Erzählton. So steht die ruhige und gehobenere Sprache von Professor Linde im Gegensatz zu den direkten sowie knappen Erzählungen von Kommissar Maertens, was wiederum ein Kontrast zu der rohen und emotionalen Stimme des unbekannten Mannes im Verlies ist. Das macht den Thriller sehr abwechslungsreich und spannend.
Maertens wirkt stets rüde, zerknirscht und getrieben. Wogegen Linde verschroben und zwanghaft auf mich wirkt. Besonders der Mann im Verlies erzeugt mit seiner rohen Verzweiflung eine starke emotionale Anziehungskraft.
Das hohe Tempo, die kurzen Kapitel und die raschen Perspektivwechsel sorgen für Spannung. Überraschende Wendungen und gelungen gesetzte Cliffhanger fördern und pushen meine Spekulationen. Doch ab einem bestimmten Punkt setzt mir Henri Faber einfach zu viele Überraschungsmomente. Immer muss das Vorherige getoppt werden, sodass für mich die Handlung zunehmend ins Absurde abdriftet, was die Begeisterung trübt. Das finde ich schade, denn bis zu diesem Punkt hatte der Thriller Highlight-Potenzial.
Dennoch finde ich, dass Locked in ein intelligent durchdachter und wirklich mitreißender Thriller ist. Ich habe mich wirklich gut unterhalten lassen und die dichte Stimmung sowie die psychologische Tiefe hat mich überzeugen können.

Fazit:

Locked in ist eine psychologisch raffinierte Reise durch die Psyche von Männern, die aus unterschiedlichen Gründen von der Verzweiflung angetrieben werden. Der literarische Thrill mit einer dichten Atmosphäre weiß zu überzeugen. Ein paar Plottwists am Ende hätten Locked in jedoch wesentlich besser getan.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

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