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Durch einen Newsletter bin ich neugierig auf das Buch geworden. In „Stigma“ möchte das Autorinnenduo Regina Denk und Lisa Bitzer mit festgesetzten Mustern innerhalb des Thriller Genre brechen und eine Spannungslektüre zur Verfügung stellen, die nicht die klassische Opferrolle von Frauen beinhaltet.

In meiner Rezension „Stigma“ von Lea Adam wird sich zeigen, ob ich der Meinung bin, dass dieses Vorhaben geglückt ist.

Leseexemplar
❧ Dieses Buch habe ich als Freiexemplar von Ullstein erhalten
❧ Vielen Dank an Tina Lurz für die Vermittlung
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst

 

Stigma von Lea Adam
© Cover: zero-media.net, München

Infos zum Buch
erschienen bei Ullstein Taschenbuch
Veröffentlicht 26. Januar 2023
ca. 400 Seiten
Band 1 der Reihe „Jagoda Milosevic und Vincent Frey“
erhältlich als Taschenbuch und eBook
 

Klappentext

Du fühlst dich sicher. Aber du bist es nicht …

Eine Männerleiche, die Augenhöhlen leer, eine Plastiktüte über dem Kopf: Mordermittlerin Jagoda »Milo« Milosevic und ihr Kollege Vincent Frey stoßen auf Hinweise, dass der Tote in der Vergangenheit Frauen missbraucht hat. Ein mögliches Motiv? Der Verdacht erhärtet sich, als kurz darauf ein weiterer verurteilter Sexualstraftäter ermordet wird. Milo folgt bei den Ermittlungen ihrem Instinkt, doch sie fühlt sich zunehmend beobachtet. Erkennt sie das Böse, wenn es vor ihr steht?

Für alle, die es leid sind, immer wieder dieselbe Geschichte über ermordete Frauen zu lesen: Dieses Buch ist für Euch.

© Klappentext: Ullstein

Visuell spricht mich „Stigma“ mit seinem düsteren Cover und der zerkratzten Optik direkt an. Hinter dem Namen Lea Adam verbirgt sich das Autorinnenduo Regina Denk und Lisa Bitzer und beim Lesen hatte ich nie den Eindruck, dass hier zwei unterschiedliche Personen am Werk gewesen sind. Alles liest sich wie aus einem Guss. Der Schreibstil ist einnehmend und flüssig, manchmal recht umgangssprachlich und wirkt dadurch salopp. Ich mag das, denn es ist erfrischend und leicht verständlich. Die beschriebenen Szenen sind sehr bildlich und berühren mich auf unterschiedlichste Weise. Hier sei auch gleich ein Wort der Warnung angebracht: In „Stigma“ wird das Thema sexualisierte Gewalt in den Fokus gerückt und Lea Adam scheut sich auch nicht davor, Vergewaltigungsszenen recht detailliert darzustellen. Daher sollte jeder Lesende zu Beginn die ausgesprochene Warnung sehr ernst nehmen.

Ich komme gut in „Stigma“ rein, was dadurch erleichtert wird, weil ich ausschließlich mithilfe des personalen Erzählers der Mordermittlerin Jagoda Milosevic, kurz Milo, bei der Ermittlungsarbeit über die Schulter schaue. Ich lerne sie und ihren Kollegen Vincent Frey kennen, wobei ich Milo näher als allen anderen Charakteren komme. Das liegt auch daran, dass ich Milo nicht nur beruflich begleite, sondern sie auch privat kennenlerne. Sie gefällt mir, obwohl sie recht verschlossen ist und in vielen Bereichen sehr forsch wirkt. Durch ihr Verhalten erscheint sie gelegentlich unfreundlich, was besonders dann stark auftritt, wenn ihr Kollege Vincent der Sonnenschein schlechthin ist. Generell ist Vincent das ganze Gegenteil von Milo. Freundlich und umgänglich, ein kleiner Womanizer. Ihn habe ich sofort ins Herz geschlossen.
Als Team agieren Vincent und Milo perfekt und es macht mir Spaß, die beiden bei ihrer mühseligen Ermittlungsarbeit zu begleiten.

Generell mag ich die Ausarbeitung der Charaktere. Sie sind vielschichtig und glaubwürdig dargestellt. Besonders die Erlebnisse der Frauen, die sexualisierte Gewalt erfahren müssen, sind so bewegend geschildert, dass ich nicht nur Wut gegenüber den Tätern empfinde, sondern auch die Gefühlswelt der Frauen beinahe ungefiltert abbekomme. Es schockiert mich davon zu lesen, ich spüre ihre lähmende Angst.
Die unverhohlene Kritik im Umgang mit Opfern rennt bei mir offene Türen ein und ich frage mich, wann wir endlich so weit sein werden, Frauen vor solchen distanzlosen Übergriffen zu schützen.
Was ich allerdings völlig überzogen finde, ist die Darstellung der Chefin des Ermittlerduos. Die Frau war gefühlt nur am schreien und das verlieh dem Ganzen einen nicht sehr professionellen Anstrich. Brüllende Vorgesetzte kann ich einfach nicht ernst nehmen und finde es in Kombination mit diesem heiklen Thema auch semigelungen. Natürlich lastet auf einer Leiterin der Mordkommission auch politischer Druck, aber die Umsetzung ist schon sehr aus der Klischeekiste gegriffen.

In „Stigma“ wird die Spannung sofort aufgebaut und bis zum Schluss aufrechterhalten. Daran ändert sich auch nichts, als mir irgendwann klar ist, in welchem Umfeld der Mörder der Männer zu suchen ist und was das Motiv hinter den Taten ist.
Das Erzähltempo ist hoch und vereinnahmt mich recht schnell. Die Ermittlungsarbeit empfinde ich als glaubwürdig und ich mag es, wie der Fall Stück für Stück aufgeklärt wird. Einzig die finale Auflösung zum Schluss überspannt für meinen Geschmack den Bogen.
Ja, die Beweggründe leuchten mir ein und sie sind, je nachdem, wie weit sich der Lesende darauf einlassen möchte, sicherlich zu Teilen nachvollziehbar. Aber in ihrer Gesamtheit finde ich es nicht mehr seriös. Hierbei geht es mir ganz klar um den Auslöser, der das Ganze ins Rollen gebracht hat. Meiner Meinung nach wird hier mit Doppelmoral gearbeitet und ich finde es sehr schade, dass Lea Adam dies nicht weiter aufgedröselt hat. Mir liegt dieser Punkt besonders schwer im Magen, da ich die Ansicht über die Schuld- / Unschuldsfrage einfach nicht teile. Die Motivation hinter den Morden bekommt für mich einen schalen Beigeschmack.

Das Ende von „Stigma“ ist mir persönlich auch zu ruppig. Zwar werden alle Fragen, die den Fall betreffen geklärt, aber mir fehlt ein richtiger Abschluss. Es wirkt noch nicht zu Ende erzählt, was vielleicht daran liegt, dass dies der erste Band einer Reihe ist.

Stigma von Lea Adam
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Ein Thriller, der sexualisierte Gewalt als Thema aufgreift und mit der Täter-Opfer-Umkehr aufwartet. Hier ist die Marschrichtung schnell klar, jedoch spannend erzählt und mit Feingefühl umgesetzt.

Lesen:

„Stigma“ ist nichts für schwache Nerven und sollte mit Bedacht ausgewählt werden. Opfern von sexueller Gewalt rate ich dringend vorher die Leseprobe zu lesen, da hier Szenen ungefiltert beschrieben werden, die retraumatisierend wirken können.
Wer so etwas lesend ertragen kann, der findet hier einen packenden Thriller.

Weglegen:

Wer das Lesen von sexualisierter Gewalt nicht ertragen kann, sollte bitte zu einem anderen Buch greifen.

Mal ehrlich:

„Stigma“ bot mir alles, was ein spannungsgeladener Thriller bereithalten sollte. Ich war beim Lesen so tief drin, dass ich ab einem bestimmten Punkt einfach nur wissen wollte, wie es weitergeht. Das Ermittlerduo Milo und Vincent war wie Yin und Yang. Milo wirkte stets unterkühlt und forsch mit Anflügen von Unfreundlichkeit, während Vincent sich als stets höflich und charmanter Ermittler entpuppte, der mich dabei zügig schnell um den kleinen Finger wickelte.
Allerdings lag der erzählerische Fokus rein auf Milo. Hauptsächlich auf der nervenaufreibenden Ermittlungsarbeit, gelegentlich gab es Abstecher in Milos Privatleben. Das gefiel mir, denn so wurde ich im Verlauf mit ihr immer mehr warm.
Das Thema des Thrillers ist nichts für Zartbesaitete. Hier wurde sexualisierte Gewalt sehr explizit behandelt und die Übergriffe auf Frauen in ihrer abscheulichen Vielfältigkeit klar beschrieben. Die Atmosphäre der Angst griff da besonders stark auf mich über und bescherte mir neben Mitgefühl auch eine unglaubliche Gänsehaut.
Schnell wurde mir klar, in welche Richtung sich der Thriller und damit auch die Motivation hinter den grausamen Morden an den Männern entwickelte. Das fand ich nicht weiter schlimm, auch wenn mich die Enthüllung des Täters nicht mehr schocken konnte.
An sich mochte ich die Umsetzung des Themas und die Verknüpfung zu einem Thriller mit den starken Triebfedern Rache und Selbstjustiz. Aber, und das liegt mir wirklich wie ein Stein im Magen, die Auflösung zum Schluss hatte mir nur bedingt gefallen. Der Beweggrund für diese Eskalation an Gewalt gegenüber den männlichen Mordopfern war für mich mit einer Doppelmoral belegt. Hier hätte meiner Meinung nach noch näher hingeschaut und aufgedröselt werden müssen. Klar, aus Tätersicht war das alles logisch, ist es doch am Ende für den Ausführenden immer. Doch im Kontext zu so einem wichtigen Kernthema hatte mir das nicht gefallen.

Fazit:

Ein packender Thriller, der für ein wichtiges Thema sensibilisiert, es souverän mit dem richtigen Maß an Empathie und ungeschönten Tatsachen in die Geschichte webt. Das Ende überzeugt mich nur teilweise, dennoch ist der Start in die neue Thriller-Serie insgesamt gelungen.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

Lust auf einen Thriller, wo die Täter von Beginn an bekannt sind?
Dann empfehle ich euch:
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