Die Neugierde auf dieses Buch war von meiner Seite aus sehr hoch. Ein Gedankenspiel, erschreckend und faszinierend zu gleich. Wie würde sich die DDR bis ins Jahr 2020 weiterentwickelt haben und gäbe es Grundzüge in ihr, die mich an die Erzählung meiner Familie über diesen Staat erinnerten?

In meiner Rezension zu “Die Republik” von Maxim Voland erzähle ich euch, was mich an dem Buch begeistern konnte und was nicht.

Leseexemplar
❧ Dieses Buch habe ich als Freiexemplar vom Piper Verlag erhalten
❧ Meine Meinung ist davon unbeeinflusst

 

Die Republik von Maxim Voland
© Umschlaggestaltung: zero-media.net, München
© Umschlagabbildung: Finepic®, München

Infos zum Buch
erschienen bei Piper
Veröffentlicht 26. Oktober 2020
ca. 528 Seiten
erhältlich als gebundenes Buch, eBook, Hörbuch oder Audio-CD
 

Klappentext

Was wäre, wenn …

Maxim Voland schreibt die deutsche Nachkriegsgeschichte neu!

Europa, 1949: Die neu gegründete DDR umfasst nach einem unglaublichen Coup das gesamte deutsche Staatsgebiet, mit Ausnahme des westlichen Teils von Berlin. Gegenwart: Die DDR ist führende europäische Macht – ein hochmoderner Überwachungsstaat mit einem glücklichen Volk. So scheint es. Während internationale Agentenorganisationen im autonomen West-Berlin ihre Pläne schmieden, wird die DDR von einem furchtbaren Vorfall erschüttert: Über den Platz der Akademie zieht eine Giftgaswolke und fordert zahlreiche Tote. Ein Unfall? Ein Anschlag? Welche Macht steckt dahinter? Ein desillusionierter Stasi-Oberst, der französische Dolmetscher Christopher und die junge DDR-Bürgerin Alicia geraten in eine Verschwörung gigantischen Ausmaßes, die das Ende Europas bedeuten könnte …

© Klappentext: Piper

Um ehrlich zu sein, hatte ich erwartet, dass der Start in die Geschichte eher schwerfällig sein würde. Immerhin musste der Autor das Machtgefüge, welches er erschaffen hatte, erst einmal mir näher bringen und entsprechend aufbauen, damit ich im Gedankenspiel zurechtkommen konnte.
Zum Teil hatte sich meine Annahme bewahrheitet, jedoch muss ich sagen, dass Maxim Voland das Ganze klug gelöst hatte.

Zu Beginn erklärte er in seinem Vorwort, wie er auf die Idee zu diesem Buch kam. Anschließend umriss er das Szenario, welches er entworfen hatte, indem er einen kurzen Abstecher in die Vergangenheit Deutschlands machte. Hiernach ging er kurz und knackig auf die aktuelle Gegenwart ein, in der die DDR ein erfolgreicher Global Player ist. Mit diesen Hintergrundinformationen ließ sich das Eintauchen in die Geschichte tatsächlich einfacher bewerkstelligen, als ich es vermutet hatte. Allerdings hatte ich auch den Vorteil, dass ich viele typisch gebräuchliche DDR Begriffe noch von früher her kannte. Wer sie nicht kennt, muss aber keine Sorge haben, den Inhalt nicht zu verstehen. Das Glossar am Ende des Buches ist sehr umfangreich und erklärt jene Begriffe auch für Unkundige kurz und sehr gut. Manches ergibt auch beim weiteren Lesen Sinn, sodass ein häufiges Blättern zum Wörterverzeichnis nicht notwendig ist.

Unterteilt wurde das Buch in drei Handlungsstränge, in denen unterschiedliche Protagonisten vorkamen, die ein völlig anderes Verhältnis zur DDR hatten.
Da war zum einen der desillusionierte Stasi-Oberst Gustav Kuhn, der lieber aus der DDR flüchten würde, als noch länger ein Teil davon zu sein. Doch vorher will er seine Rache haben und nutzt die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen. Seine Geschichte war für mich von Anfang an sehr interessant und er war mir auch sofort sympathisch. Am meisten begeisterten mich seine Einstellung und sein ungeschönter Blick auf einen sozialistischen Staat, indem eben nicht alle Menschen gleich sind.
Dann durfte ich der britischen Geheimdienstagentin Harper Parker-Moreau über die Schultern sehen, die versuchte herauszufinden, was es mit der Giftgaswolke innerhalb der DDR auf sich hatte. Sie mochte ich von allen Protagonisten am wenigsten. Sie kam mir oft sehr zwielichtig vor und ich konnte Harper einfach nicht richtig einschätzen. Sie führte immer etwas im Schilde, was ich nicht durchschauen vermochte. Harper bekam nicht so viel Raum in der Geschichte, darüber war ich wirklich dankbar. Die britische Geheimdienstagentin zu begleiten war hingegen sehr spannend und hatte wirklich etwas von einem Spionagethriller á la James Bond, ohne dabei abgedroschen oder unglaubwürdig zu sein.
Der letzte Handlungsstrang wurde vom französischen Dolmetscher Christopher Mueller besetzt, der zum ersten Mal in die DDR einreiste. Seinen Blick als Außenstehender auf dieses Regime fand ich sehr gut gemacht. Es beleuchtete, wie die westlichen Staaten versuchten Mithilfe von Gerüchten ein verfremdetes Bild von der DDR zu zeichnen. Spannend war hier auch der Umstand, dass seine Cousine Alicia als DDR-Bürgerin eine sehr kritische Meinung zum Regime hatte. Sie zeigte Christopher auf, wo die DDR gut und worin sie schlecht war. Das mochte ich sehr, weil hier Maxim Voland somit mehrere Ebenen dieser Republik beleuchtet.
Anfänglich empfand ich Christophers Familienbesuch ein wenig langweilig, doch das wandelte sich recht schnell in wirklich atemraubende Szenen. Hier hatte ich wohl das meiste Adrenalin vergossen. Beide Figuren waren liebenswert und sie zu begleiten bereitete mir Freude.

Sehr gut gelöst war in meinen Augen, wie Maxim Voland die Handlungsstränge Stück für Stück ziemlich raffiniert zusammenführte. Durch die unterschiedlichen beleuchteten Sichtweisen innerhalb eines Kapitels schuf er echte Pageturner, die nicht nur die Spannung immer wieder hochpeitschten, sondern auch dafür sorgten, dass ich den Verlauf nie vorhersehen konnte. Die Wendungen kamen oft sehr überraschend und meisten schon dann, wenn ich gerade erst dabei war, eine Vermutung aufzustellen.

Was mich jedoch zunehmen gestört hatte, war, dass es keine eindeutigen Zeitangaben gab. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass der eine Handlungsstrang schon weiter fortgeschritten war als ein anderer. Dies verwirrte mich so ein bisschen und ich hätte mir hier tatsächlich mehr Klarheit gewünscht. Im Nachhinein konnte ich nicht mal sagen, ob manche Handlungen parallel stattgefunden haben oder zeitverzögert. Positiv war jedoch, dass ich immer wusste, wem ich gerade folgen durfte, weil zu mindestens immer angegeben wurde, an welchem Ort innerhalb oder außerhalb der DDR ich mich gerade befand und dies gleich Rückschlüsse auf die aktuelle zu begleitende Figur zuließ.

Richtig gut gefiel mir, dass es vor jedem Kapitelende mal einen Volkswitz, ein altes Lied oder einen Auszug aus einer realen, manchmal auch fiktiven Rede gab. Das verlieh dem Ganzen noch mehr Tiefe und griff somit die authentische Vergangenheit mit auf. Meiner Meinung nach bekam die Geschichte dadurch einen glaubwürdigen und erschreckend wirklichkeitsnahen Anstrich.

Meine Sorge, hier einen rein Politthriller lesen zu müssen, hatte sich zum Glück schnell verflüchtigt. Natürlich war Politik schon ein Kernthema, aber es wurde nicht so aufgebaut, dass ich gähnende Langeweile empfunden hätte oder gedanklich ausgestiegen wäre. Stattdessen wurden die richtigen Elemente verwendet, um das Buch zu einem spannungsgeladenen Thriller werden zu lassen.

Der Schreibstil war unfassbar eindrücklich und richtig gut zu lesen. Egal ob Beschreibungen von Umgebungen, Menschen oder Handlungen, alles war so stimmig und flüssig, dass es ein homogenes Gesamtbild ergab. Außerdem war das Handlungsgerüst realistisch aufgebaut worden, sodass ich nie das Gefühl hatte, eine Geschichte aufgetischt zu bekommen, die ins Reich der Märchen gehörte.
Auch emotional verstand es Maxim Voland mich abzuholen. Am intensivsten gelang ihm das bei der Familie Müller. Hier war ich näher an den Figuren dran und konnte mehr mit ihnen Mitfühlen.
Bei Harper war ich stets der neutrale Beobachter und auch die dramatischen Szenen berührten mich kaum. Gustavs Erlebnisse waren für mich durchwachsen, auch er hielt mich emotional auf einen gewissen Abstand, war aber nicht unnahbar.

Insgesamt hatte mich dieser Thriller total begeistert. Die Auflösung war unerwartet, packend und eine echte Überraschung für mich. Auch das gewählte Setting war glaubhaft konzipiert worden, ohne Klischees zu bedienen oder zu werten. Als Leser konnte ich mir über viele Teilbereiche meine eigene Meinung bilden und ich war förmlich durch die Seiten geflogen.

Die Republik von Maxim Voland
© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Hoher Spannungsanteil, ein bisschen Politik und jede Menge undurchsichtiger Machenschaften. Mittendrin unbescholtene Bürger, große Stasi-Funktionäre und ausländische Geheimdienste.

Lesen:

Wer ausgeklügelte Thriller liebt, die auch nicht zimperlich mit blutigen Szenen sind, wird hier bestens unterhalten.

Weglegen:

Blutige Thriller mit reichlich Leichen und politischen Kontext bescheren euch Albträume? Dann Finger weg von dem Buch.

Mal ehrlich:

Ein kleines bisschen hatte ich ja Angst, dass dieses Buch zu einem ausgewachsenen Politthriller werden würde. Das war aber völlig unbegründet.
Klar, zu Beginn musste Maxim Voland die DDR des 21. Jahrhunderts beschreiben und ein wenig Erläutern. Aber das war notwendig, um dem restlichen Geschehen ohne Probleme folgen zu können. Am Ende des Buches wartete ein umfassendes Glossar über Begrifflichkeiten der DDR, die sehr gut erklärt wurden und gerade für die Leser gedacht war, die damit nichts anzufangen wussten. Die meisten der Worte kannte ich jedoch von früher noch.
Innerhalb von 18 Kapiteln entspann Maxim Voland einen Thriller der besonderen Art. Er erweckte nicht nur die DDR wieder zum Leben und transformierte sie erschreckend realistisch ins 21. Jahrhundert, sondern sorgte mit seinen drei Handlungssträngen dafür, dass ich einen tiefen Einblick in alles erhielt.
Mit seinen Hauptfiguren konnte er mehrere Schichten beleuchten, die von unbedarften Bürgern, die einer ausländischen Geheimdienstagentin und eines Stasi Oberst. Jeder von ihnen hatte eine andere Sicht auf die Ereignisse, ging mit den Situationen anders um und hatte entsprechend eine andere Motivation, um das Rätsel zu lösen.
Das war insgesamt betrachtet unheimlich packend und das Buch entwickelte sich zu einem echten Pageturner.
Innerhalb eines Kapitels konnte es vorkommen, dass ich mehreren Handlungssträngen folgen durfte, die jedoch immer mit dem Ort, an dem sie spielten, gekennzeichnet waren. So kam ich trotz einer beeindruckenden Vielzahl an mitwirkenden Figuren nie durcheinander.
Das Einzige, was mich im Verlauf des Buchs zunehmend gestörte hatte, war die Tatsache, dass ich nicht immer nachvollziehen konnte, in welchem zeitlichen Rahmen sich die Ereignisse zutrugen. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die einzelnen Handlungsstränge nicht zeitgleich liefen, was mich dann verwirrte. Hier hätte ich es mir detaillierter gewünscht.

Fazit:

Ein Thriller, der alles hatte, was ein spannungsgeladenes Buch benötigt. Authentische Figuren und Handlungen sowie überzeugende Schauplätze, auf der sich dramatisch undurchsichtige, nervenaufreibende Szenen abspielten.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

Lust auf einen politischen Thriller? Dann empfehle ich euch:
Der Präsident: Thriller von Sam Bourne