Bei dem Buch The Reappearance of Rachel Price bin ich ein klassisches Cover- und Buchschnitt-Opfer. Dann ist es auch noch in den sozialen Medien gelobt worden und meine Neugierde war endgültig geweckt. Bisher habe ich von Holly Jackson auch noch kein Buch gelesen und so konnte ich ohne große Erwartungen ans Lesen gehen.
In meiner Rezension „The Reappearance of Rachel Price“ von Holly Jackson prüfe ich den Stand-Alone-Young-Adult-Thriller auf Herz und Nieren.

© Umschlaggestaltung: Tanja Østlyngen
erschienen bei ONE
Veröffentlicht 20. August 2024
Originaltitel The Reappearance of Rachel Price
Übersetzt von Sabine Schilasky
Empfohlenes Lesealter Ab 14 Jahren
574
erhältlich als Paperback, Hörbuch und EBook
Klappentext
Von der internationalen Bestseller-Autorin und Gewinnerin des TikToks-Awards 2023 als »Author of the Year«
Farbschnitt und Page-Overlay exklusiv in der ersten Auflage!
© Klappentext: ONE
Bevor ich in diesen YA-Thriller starte, gibt es einen Familienstammbaum und eine Übersicht über das Dokumentar-Drehteam zu sehen. Das finde ich sehr interessant und auch hilfreich, denn diese Figuren spielen zum Teil wichtige Rollen in dem Buch. Diese Art, eine Figurenübersicht zu erstellen, finde ich originell, da beides sogar passend illustriert ist.
Die ersten paar Seiten von The Reappearance of Rachel Price sind mir zu behäbig und ich habe ein paar Schwierigkeiten in die Geschichte zu finden. Doch das legt sich schnell, denn Holly Jackson gelingt es zügig Spannung aufzubauen.
Die 18-jährige Bel steht im Zentrum von The Reappearance of Rachel Price und der personale Erzähler hat den Fokus ausschließlich auf sie gelegt. Bel ist ein Charakter, den ich mit am unsympathischsten finde. Ihr ganzes Verhalten erinnert mich dauerhaft an eine pubertierende Göre. Ihre scharfe Zunge setzt sie geschickt ein, um andere Menschen emotional und verbal zu verletzen sowie beständig auf Abstand zu halten. Bel pulsiert förmlich vor unterdrückter Wut und Misstrauen. Doch zwischen ihrer rauen und ungefilterten Art blitzt auch Verletzlichkeit durch. Stück für Stück enthüllt sich, welche Folgen das ungeklärte Verschwinden ihrer Mutter Rachel vor sechzehn Jahren für Bel hatte.
The Reappearance of Rachel Price hat ein bisschen was von einem True-Crime-Fall. Diesen Eindruck verstärkt die Dokumentation über das mysteriöse Verschwinden von Rachel, die parallel zum Geschehen produziert wird. Diese Komponente ermöglicht mir eine weitere Perspektive, denn durch die mediale Aufbereitung erhalten die Ereignisse und Enthüllungen eine faszinierende Dynamik. Zudem schwingt leise Kritik an der Sensationslust fremder Menschen und die daraus resultierende öffentliche Meinung mit, welche ungefiltert mit dem persönlichen Schmerz der betroffenen Angehörigen kollidiert.
Durch Bel, aber auch durch die ungerechtfertigte Behandlung ihres Vaters Charlie als mutmaßlichen Täter wird mir erst bewusst, wie hart das allgemeine Interesse sein kann.
Erschwerend kommt für Bel hinzu, dass sie sich an nichts erinnern kann, denn sie war zwar Zeugin beim Verschwinden ihrer Mutter, aber noch ein Kleinkind.
Holly Jackson baut The Reappearance of Rachel Price langsam auf und lotst mich durch Bels familiäre Situation. Neben ihrem Vater Charlie lerne ich auch ihre Cousine Carter und deren Eltern Sherry und Jeff kennen. Der Großvater der Mädchen, Pat, bleibt die ganze Zeit eine leise Nebenfigur als Demenzpatient. Von den ganzen Charakteren, die mir im Verlauf begegnen, mag ich niemanden, außer dem Kameraassistenten Ash. Ich habe ihn wirklich gern, was nicht nur an seiner Vorliebe für extrem auffällige Kleidung liegt. Er ist die einzige Figur, die mir warmherzig erscheint. Alle anderen Charaktere berühren mich entweder gar nicht oder ich finde sie ausgesprochen seltsam und kalt.
Und dennoch gelingt es Holly Jackson, mich an diese Geschichte zu fesseln, da sie ein unglaublich packendes und vielschichtiges Drama konstruiert hat.
Dieser Thriller ist auf seine Art leise, aber intensiv. Das Spiel mit verschwommenen Erinnerungen und den daraus resultierenden Traumata sowie mit der Wahrheit, die immer auf den Blickwinkel ankommt, erschafft Holly Jackson eine intensive Atmosphäre. In dieser interessanten Ausgangslage kehrt Rachel Price wieder zurück. Was sich wie ein Happy End anfühlen sollte, gerät schnell aus den Fugen und ein psychologisches Minenfeld eröffnet sich vor mir.
Unstimmigkeiten regen mich zum Spekulieren an und obwohl ich Bel nicht mag, verfolge ich gespannt ihre eigenen Ermittlungen. Die Jagd nach der Wahrheit reißt mich mit und die Wendungen überraschen mich häufig. Langsam zeichnet sich ein erschreckendes Bild ab und immer wieder stelle ich mir die Frage, wie das Ganze seinen Abschluss finden wird.
The Reappearance of Rachel Price geht mir subtil unter die Haut. Hier und da blitzt eine besonders perfide Form von psychischer Manipulation auf. Die Spannungskurve schraubt sich weiter in die Höhe und als Bel sich nicht nur ihrer Vergangenheit, sondern auch der eigenen Wahrnehmung stellen muss, kann ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Bis zum Schluss kann mich Holly Jackson immer wieder überraschen und mir bleibt mehr als einmal der Mund vor Fassungslosigkeit offenstehen. Ein bisschen zu schön ist für mich das Ende, aber es sind keine Fragen ungeklärt und der Eindruck sowie das Entsetzen über die gesamte Wahrheit söhnt mich damit aus.

© Foto: Monique Meier
Kurz gesagt:
Was dich erwartet:
Ein dicht erzählter Young-adult-Thriller, der mit True-Crime-Elementen, einer komplexen Hauptfigur und einer düsteren Familiengeschichte aufwarten kann. Hier gibt es viele Geheimnisse zu ergründen und Misstrauen abzubauen.
Lesen:
Wenn ihr Bücher mit psychologischem Tiefgang mögt und mal die emotionalen Folgen von True-Crime Begeisterung für die Betroffenen lesen möchtet.
Weglegen:
Finger weg, wenn ihr nicht mit Themen wie Gaslighting und familiären Traumata umgehen könnt. Auch nicht empfehlen kann ich das Buch, wenn die Hauptfiguren für euch sympathisch sein müssen. Hier empfiehlt sich vorab der Blick in die Leseprobe zur Einschätzung.
Mal ehrlich:
Es ist wirklich selten, dass mich eine Geschichte begeistern kann, obwohl ich bis auf eine einzige Ausnahme keinen Charakter wirklich mag. Dabei ist die Abstufung nicht mal filigran. Entweder tangieren mich die Figuren nicht oder ich kann sie nicht leiden. So wie die 18-jährige Hauptfigur Bel. Sie benimmt sich ständig wie ein Trotzkopf, stößt am laufenden Band ihre Mitmenschen verbal vor den Kopf und hält alle bis auf ihren geliebten Dad und ihre Cousine Carter sorgfältig auf Abstand.
Und dennoch, dieser YA-Thriller geht mir unter die Haut.
Denn hier trifft das Element des True-Crime auf einen perfiden Psychothriller. Bel ist vor sechzehn Jahren Zeugin vom spurlosen Verschwinden ihrer Mutter Rachel geworden und kann naturgemäß nichts zur Lösung des Rätsels beitragen. Und doch versuchen ständig Menschen, sie zum Erinnern zu bewegen.
Wie traumatisch das ist, wird besonders durch die begleitende Doku dargestellt, die zusammen mit der Familie Price gedreht wird, um vielleicht das Rätsel um Rachels Verschwinden zu lösen.
Der Aufbau ist solide und interessant. Die Spannung ist zu Beginn unterschwellig, legt jedoch abrupt zu, als plötzlich Rachel Price zurückkehrt. Auf einmal ist alles voller Widersprüche und Bel ist fest entschlossen, die Wahrheit aufzudecken. Ab diesem Zeitpunkt bleibt der Thriller atmosphärisch dicht und es knistert vor Spannung.
Das Spiel mit moralischen Grauzonen, medialer Sensationslust und tiefem Misstrauen beeindruckt mich.
Die Wendungen überraschen mich oft und ich habe keine Ahnung, wie Holly Jackson alles schlüssig beenden und zusammenfügen will. Aber ihr gelingt es und lässt mich am Ende sprachlos zurück.
Fazit:
The Reappearance of Rachel Price ist ein intensiver und geschickt konstruierter Thriller, der mit einer emotionalen Bel punkten kann. Die Suche nach der Wahrheit über Rachels Verschwinden ist verbissen, schmerzhaft und spannungsvoll.
*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*
Lesetipp:
Lust auf ein packendes Piratenabenteuer mit in ein bisschen Fantasy, eingebettet in einem typischen Young-Adult Roman?
Dann empfehle ich euch:
Daughter of the Pirate King – Fürchte mein Schwert von Tricia Levenseller
Liebe Mo,
Leise und intensiv erzählt klingt ganz nach meinem Geschmack. Nicht sympathische Charaktere eigentlich so gar nicht – da bin ich ganz wie du. Das Buchcover hat mich auch gepackt, auch wenn ich bei dem Genre wohl eher zurückhaltend wäre. Dabei scheint das Buch ja doch einiges zu versprechen. Danke für die Leseempfehlung!
Liebe Grüße, Miriam
Liebe Miriam.
sehr gern. Ja, ich hätte auch nicht gedacht, dass mich ein Buch begeistern kann, wo ich die Charaktere nicht mag. Aber manchmal können Bücher auch überraschen.
Liebe Grüße
Mo