Mit ihrer Housemaid-Reihe konnte mich Freida McFadden für sich gewinnen und so habe ich schon sehnsuchtsvoll auf ihr nächstes Buch gewartet. Dieses Mal sollte es ein Stand-alone-Thriller sein, was mich persönlich sehr freut, weil ich so keine Angst haben muss, die Reihe aus den Augen zu verlieren.

In meiner Rezension „Die Kollegin – Wer hat sie so sehr gehasst, dass sie sterben musste?“ von Freida McFadden lasse ich euch wissen, ob mich der Stand-Alone-Thriller abholen konnte.


 

Die Kollegin – Wer hat sie so sehr gehasst, dass sie sterben musste? von Freida McFadden
© Umschlaggestaltung: zero-media.net, München

Infos zum Buch
erschienen im Heyne Verlag
Veröffentlicht 26. März 2025
Originaltitel The Coworker
Übersetzt von Astrid Gravert
ca. 384 Seiten
erhältlich als Taschenbuch, Hörbuch und eBook
 

Klappentext

Zwei Frauen. Ein Büro. Ein schreckliches Verbrechen.

Dawn Schiff ist seltsam. Darin sind sich ihre Kollegen einig. Sie sagt nie das Richtige. Sie hat keine Freunde. Aber sie ist jeden Morgen um Punkt 8:45 Uhr an ihrem Platz in der Firma, in der sie als Buchhalterin arbeitet. Bis sie eines Morgens nicht auftaucht. Dawns Kollegin Natalie Farrell wundert sich. Dann erhält sie einen anonymen Anruf und fährt zu Dawns Wohnung. Keine Spur von ihrer Kollegin. Doch Natalie bietet sich ein Bild des Grauens. Eins scheint bald klar: Jemand muss Dawn so sehr gehasst haben, dass er sie getötet hat. War es jemand aus ihrem Büro? Je mehr Natalie herausfindet, desto tiefer verstrickt sie sich selbst in ein Netz aus Lügen und Gewalt, aus dem es kein Entkommen gibt.

© Klappentext: Heyne Verlag

Die Kollegin fängt mich direkt mit einem interessanten Prolog ein. Dieser ist im Stil von E-Mails verfasst und zeigt die Nachrichten zwischen Dawn Schiff und ihrem Chef Seth Hoffman. Dawn ist auf eine sensible Angelegenheit gestoßen und bittet Seth um ein persönliches Gespräch, welches am folgenden Tag stattfinden soll.
Worum es in diesem Thema geht, bleibt ungewiss, was meine Neugierde weckt.

Aufgeteilt ist Die Kollegin nachfolgend in drei Teile und es beginnt mit dem Tag, an dem das Treffen zwischen Dawn und ihrem Chef stattfinden soll. Nun lerne ich Natalie kennen. Sie arbeitet bei Vixed, einer Firma für Nahrungsergänzungsmittel, und durch sie erfahre ich, dass Dawn ihre Kollegin und Seth ihr Chef ist.

Die Kollegin wird durch zwei Ich-Perspektiven beleuchtet.
Dawn spricht durch ihre E-Mails, die mitunter sehr persönlich und direkt wirken. Dabei bleibt Dawn sehr sachlich und präzise, was manchmal einen naiven Eindruck erweckt. Sowohl aus ihren eigenen Beschreibungen als auch aus Natalies Sicht wird klar, dass Dawn eine sehr pedantische sowie analytische Person ist, die nach Ordnung und Effizienz strebt. Ihre soziale Unsicherheit macht sie zum perfekten Opfer für Mobbing und Einsamkeit. Ihre Isolation zieht sich durch ihr ganzes Leben, nicht nur beruflich, sondern auch privat hat Dawn kaum eine Bezugsperson. Sie wirkt auf mich hochintelligent und ist in ihren Ansichten absolut kompromisslos.

Natalie erzählt hingegen direkt aus ihrer Perspektive von den Ereignissen und schildert dabei ihre Gedanken sowie Emotionen. Natalie beherrscht so einige faszinierende Manipulationsstrategien, bei denen ich hautnah dabei sein kann.
Natalie ist eine sehr selbstbewusste Frau, die genau weiß, dass ihr Image gnadenlos funktioniert. Sie ist die Top-Verkäuferin von Vixed und ein Männermagnet. Doch sie ist sehr ein äußerst ambivalenter Charakter. Sie schwankt immer zwischen Schuld und Unschuld, sodass ich nie genau weiß, woran ich bei ihr wirklich bin. Bei Natalie muss ich ständig zwischen den Zeilen lesen, weil sie wirklich geschickt darin ist, ihre wahre Natur zu verbergen.
Natalie ist die klassische, unzuverlässige Erzählerin und ich traue ihr im Verlauf der Geschichte immer weniger.

Die Anzahl der Nebenfiguren ist zwar übersichtlich, aber sie sind ebenfalls sehr interessant. Seth Hoffman, der Chef von Natalie und Dawn, symbolisiert den klassischen, desinteressierten Mann in einer männlich dominierten Führungsetage. Er wirkt oft sehr kurz angebunden gegenüber Dawn, während er für Natalie immer ein offenes Ohr hat.
Auch Caleb Natalies Freund ist faszinierend. Er wirkt emotional eher schwach und leicht zu verunsichern, doch irgendwie traue ich ihm nicht über den Weg. Ich kann es nicht benennen, warum, aber Caleb macht mich misstrauisch.
Der Wechsel zwischen den Erzählperspektiven ist interessant. Die nüchterne E-Mail-Kommunikation von Dawn zu unterschiedlichen Personen beginnt in der Vergangenheit und kommt der Gegenwart, in der ich Natalie begleite, immer näher. So entstehen immer mehr Geheimnisse und ich habe nicht das Gefühl, das auch nur ein einziges gelöst wird. Das erzeugt eine unheimliche Spannung, bei der ich auch regelmäßig in ein Wechselbad der Gefühle geschubst werde. Immer wieder schwankt meine Sympathie für Dawn und Natalie hin und her, ich kann sie beide nie richtig greifen.

Der Spannungsaufbau ist hervorragend durchdacht. Durch das Zusammenspiel von Dawns nüchterner E-Mail-Kommunikation und Natalies Erzählperspektive entfaltet sich ein faszinierender Reiz. Die Dialoge wirken absolut realistisch und durch das Hinzukommen polizeilicher Ermittlungen wird eine Dringlichkeit suggeriert, die mich völlig in ihren Bann zieht. Das Bürosetting offenbart zudem nachvollziehbare und erschreckende soziale Dynamiken und seziert das dortige Verhalten sozialkritisch.

Die Kollegin bleibt für mich lange Zeit völlig undurchsichtig. Ich habe keine Idee, wie sich die Handlungsstränge weiterentwickeln, wie sie zueinanderfinden und was die Auflösung sein könnte. Durch das hohe Erzähltempo fliege ich förmlich durch die Seiten und lasse mich von dem psychologischen Tiefgang mitreißen.
Die Kollegin schildert nicht einfach einen Kriminalfall, sondern durch die Komplexität der Ereignisse wird deutlich, wie hinter alltäglichen Büroszenen Abgründe lauern und die Beteiligten ins Verderben reißen können.

Die Plottwists sind hervorragend gesetzt und nur wenige meiner Vermutungen kommen überhaupt in die Nähe der Auflösung. Freida McFadden überrascht mich rigoros und das Ende lässt mir sprichwörtlich den Mund offenstehen.


© Foto: Monique Meier

Kurz gesagt:

Was dich erwartet:

Ein psychologisch raffiniert ausgearbeiteter Thriller, der mit komplexen Figuren, subtiler Spannung und einem beklemmenden Bürosetting zu überzeugen weiß.

Lesen:

Ihr liebt psychologische Spannung und Abgründe? Dann ist das genau euer Buch.

Weglegen:

Wenn ihr rasante Action möchtet und das Blut nur so spritzen muss, solltet ihr von Die Kollegin Abstand nehmen.

Mal ehrlich:

Die Kollegin hat mich völlig überrascht und von Anfang bis Ende sehr gut unterhalten. Ich kann mich kaum erinnern, jemals so gemischte Gefühle gegenüber den Charakteren gehabt zu haben wie bei Dawn und Natalie. Mal empfinde ich Mitgefühl für die eine, während ich die andere für abscheulich halte. Der ständige Wechsel macht die Geschichte für mich besonders spannend und wendungsreich.
Auch charakterlich sind Dawn und Natalie wie Tag und Nacht. Dawn ist eine klassische Außenseiterin und ihre Schwierigkeiten mit sozialer Interaktion isolieren sie sowohl beruflich als auch emotional. Dennoch bleibt sie kompromisslos, wenn es um ihre moralischen Überzeugungen geht. Ihre große Leidenschaft sind Schildkröten, die sie bei jeder sich ihr bietenden Gelegenheit erwähnt.
Natalie hingegen ist die geborene Verkäuferin. Strahlend, selbstbewusst, manipulativ. Sie will Everybodys Darling sein, zeigt aber ihre Krallen, wenn es nicht nach ihrer Nase geht.
Der Kontrast zwischen den beiden Charakteren wird auch noch gekonnt durch die unterschiedlichen Erzählperspektiven verstärkt. Während sich Dawn in nüchternen und pedantisch präzisen E-Mails auslässt, nimmt mich Natalie durch die Ereignisse aus ihrer Sicht mit. Ihre Ich-Perspektive macht mich skeptisch und doch bin ich fasziniert davon.
Das Bürosetting zeigt ungeniert soziale Dynamiken auf, wie wir sie alle schon mal erlebt haben. Darin eingebettet werden polizeiliche Ermittlungen und die brennende Frage: Wie konnte es dazu kommen? Warum ist das Ganze so eskaliert?
Ich habe bis kurz vorm Finale keine Ahnung und selbst als ich denke, dass ich jetzt alles durchschaut habe, belehrt mich Freida McFadden eines Besseren.

Fazit:

Die Kollegin vereint eine toxische Arbeitsatmosphäre gekonnt mit psychologischen Raffinessen und Protagonisten, denen nicht zu trauen ist. Hinter der scheinbar normalen Bürowelt öffnen sich menschliche Abgründe und gipfeln in einen Mord.

*Das Buch ist überall im Handel erhältlich*

Lesetipp:

Lust auf eine Geschichte mit reichlich Geheimnissen und einer Menge Lügen?
Dann empfehle ich euch:
Glaube mir von Alice Feeney